In der aktuellen Ausgabe haben wir uns mit Autor und Winzer Andreas Wagner unterhalten. Er ist 1974 in Mainz geboren und hat sich nach seinem Studium in Politikwissenschaft und Bohemistik dem Weinbau gewidmet. Er führt mit seinem Familienbetrieb in Essenheim im schönen Rheinhessen einen äußerst interessanten Spagat zwischen Traubenlese und Buchlese. Wie das dennoch gelingen kann und mit welchen Herausforderungen er umgehen muss, verrät uns Andreas im Gespräch mit Krimiautor Dieter Aurass. Einige Auszüge dieses sehr spannenden Gesprächs lest ihr hier und hört es in seiner vollständigen Länge unter folgendem Link: Link/QR Code zum Podcast

Andreas Wagner ist nicht nur Historiker und Autor, sondern auch Winzer im Familienbetrieb in Essenheim ( Rheinhessen), was ich als einen sehr interessanten Spagat zwischen 2 recht unterschiedlichen Berufen empfinde. Dazu auch sofort die sich aufdrängende Frage: Bist du ein schreibender Winzer oder ein winzernder Autor?

Ich bin Winzer, in erster Linie das . – und darauf könnte ich auch nie verzichten. Das ist schon Beruf und Berufung gemeinsam und eine bewusste Entscheidung gewesen. Aber der Winzerberuf hat ja Freiräume, sprich der schlafende Winzer im Winter und die Zeit fülle ich dann aus mit Mord und Totschlag.

Also es ist kein Nebenberuf, kein Nebenerwerb, sondern du hast eigentlich 2 Berufe…

Ja, also ich hatte früher einen Beruf und ein Hobby und dieses Autorendasein ist auch ein aus den Fugen geratenes Hobby, das ein Stück weit sehr, sehr viel Zeit mittlerweile beansprucht. Das ich aber sehr, sehr gerne mache und das mit dem ich ganz bewusst schon diese arbeitsärmere Zeit, die man als Winzer nach der Weinlese ab Anfang November hat, sehr, sehr intensiv ausfülle.

Andreas, du hast ja neben Politikwissenschaft auch Bohemistik studiert, also das Studium der tschechischen Sprache und Literatur. Warum gerade dieser Studiengang? Was hat dich daran gereizt?

Na, also eigentlich bin ich Historiker, das heißt, ich habe Geschichte studiert. Politikwissenschaft war eine Ergänzung dazu und mein Traum nach Abi und Zivildienst war schon eine osteuropäische Sprache zu lernen. Und ich schwankte dann hin und her zwischen Polnisch oder Tschechisch. Mich hat die Idee gereizt, die Sprache zu können und in Prag studieren zu können – und deswegen habe ich mit Tschechisch angefangen und habe auch zwischendrin ein dreiviertel Jahr in Prag studiert. Das war eine wunderbare Ergänzung. Im Rückblick weiß ich nicht, ob ich mir das noch mal antun würde, mich mit dieser slawischen Sprache zu quälen, weil es unheimlich schwer ist. Es ist ein wunderbares kleines Studienfach. Man ist so intim und untereinander. Das heißt, da war der Andreas und es waren vier Studentinnen, die sprachbegabt waren und zig Sprachen studiert haben. Ich bin da so mit durchgeschleift worden. Sehr liebevoll von unserer Sprachlehrerin. Die war froh, dass sie mal einen Jungen hatte, der das auch studiert hat. Und es war toll, es war eine tolle Erfahrung. Ich habe viel fürs Schreiben gelernt. Nicht so sehr für die Sprache, aber die Sprachwissenschaft und weil wir einen Schwerpunkt auf dem Übersetzen und Dolmetschen an der Uni hatten, waren unsere Dozentinnen oft Übersetzerinnen und das ist natürlich diese akribische Feilen an Sprache, an Worten und an Bedeutungen von Worten. Das ist ja letztendlich egal, ob man das im Deutschen oder in der Fremdsprache macht, man muss nur das Gefühl dafür entwickeln und dafür war das unheimlich klasse. (…)

Wie schreibst du denn, am Computer? Entwickelst du alles am Computer oder schreibst du auch, beziehungsweise machst du dir auch Ideen in Notizbüchern, sitzt da und schreibst handschriftlich? Wie machst du das?

Beides. Ich mache die Konzeption, den Plot, gerne in großen Notizblöcken, auf DIN A4, so dass ich auch viel zeichnen kann mit Sprechblasen, was zusammen gehört. Das heißt, diese ganze Entwicklung der Geschichte, die Ideensammlung plus stichwortartig auf 30 Seiten den Plot zu entwerfen. Das ist alles ohne Computer. Und mit dem ersten Satz, den ich für das erste Kapitel schreibe, fange ich mit dem Computer an. Das heißt, Schreiben ist digital, Ideen entwickeln ist zeichnerisch und auf Zetteln. Weil das hat für mich den Vorteil, dass ich dann die Zettel neben mir ausbreiten kann auf einem großen Tisch und habe alles, die Geschichte um mich herum, verteilt und an der Wand hängen. Zum Buch wird es dann getippt und ich schreibe immer von Anfang bis Ende, weil die Frage wirst du wahrscheinlich gleich stellen, wie man schreibt, weil jeder schreibt ja anders. Ich kenne Kollegen, die fangen im letzten Kapitel an und bauen dann Textbausteine zusammen. Ich fange immer bei der ersten Szene an und höre bei der letzten auf. Ich schreibe komplett, eine Szene nach der anderen. Eine nach der anderen runter, ich überspringe nichts.

Kenne ich auch nicht anders. Ich kann es nicht anders. Was unterscheidet einen Weinkrimi denn von einem anderen Krimi? Ich habe in einem Interview gehört, es würde in deinen Krimis, ich muss ehrlicherweise gestehen, ich konnte noch keinen lesen, unheimlich viel getrunken, Ist das wahr?

Ach, gar nicht. Es wird nicht mehr getrunken als in anderen Romanen, auch wenn es manchmal ein bisschen derber zugeht. Na, was ist der Unterschied? Also ich habe angefangen mit dem Krimi schreiben, weil ich dachte, dass ich auch mal aus der Sichtweise der Menschen schreiben möchte, die in dem Metier tätig sind. Das heißt, man guckt oft multiperspektivisch in den Büchern durch die Brille des Winzers, der Winzerinnen, derer, die im Weinbereich tätig sind. Und von daher ist das einfach nur eine Atmosphäre und ein Bilderkreis, den ich mir ausgesucht habe. So wie andere ihre Krimis in das beschauliche Südschweden verlegen und man auch fragen kann, warum es da besonders blutrünstig ist, wo Michel aus Lönneberga und so weiter herkommt. Wo es ja alles andere als gefährlich ist. (…)