„Das ist doch nicht fair dem Teil der Gesellschaft gegenüber, der sich impfen lässt, dass es dann Menschen gibt, Querdenker, Skeptiker, die sagen: ich nicht!“

Wir haben uns mit dem rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz auf dem Gelände der Festung Ehrenbreitstein getroffen und mit ihm unter anderem über die innere Sicherheit in Rheinland-Pfalz, die Verstärkung der Polizei, die Flutkatastrophe im Ahrtal, seine Zuversicht aus der Corona-Pandemie rauszukommen und was ihm besonders am Herzen liegt gesprochen.

Man hat in letzter Zeit nochmal gemerkt, welch hohen Stellenwert die Polizei und auch andere Beamtenstellen und Hilfsorganisationen grade jetzt im Ahrtal haben. Wie stehen Sie zu der Katastrophe, die da passiert ist?

Es ist wirklich eine einmalige Katastrophe in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die leider 134 Menschen das Leben gekostet hat. Zudem gab es 766 Verletzte. Wir gehen davon aus, dass 8900 Häuser – man kann sich das gar nicht vorstellen – stark beschädigt oder gar zerstört sind. So viele traumatische Erlebnisse. Das ist furchtbar und wird die Menschen noch lange beschäftigen. Wir bereiten uns jetzt sehr intensiv auf den Wiederaufbau in der Region vor. Wir wollen im Ahrtal natürlich wieder eine Heimat für die Menschen entstehen lassen. Wir wollen, dass das Tal wieder eine touristische Perle wird, dass der Weinbau, der dort auf allerhöchstem Niveau betrieben wird, wieder stimmig nach vorne entwickelt werden kann. Klar muss das modern und nachhaltig, aber auch sicher geschehen. Bemerkenswert ist die großartige Hilfe, die aus ganz Deutschland und aus den Nachbarländern für die Menschen an der Ahr oder in Nordrhein-Westfalen und überall dort, wo die Starkregenereignisse besonders heftig waren, geleistet wurde. Das sind Hilfsorganisationen und Feuerwehren, die Rettungsdienstorganisationen, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, unsere Polizei, Landes- und Bundespolizei, Technisches Hilfswerk und Bundeswehr. Man sieht alle. Aber auch Menschen, die sich einfach entschieden haben hinzufahren: Unternehmer, Landwirte, Winzer, ganz normale Bürgerinnen und Bürger (…) Das zeigt, dass unser Land kein kaltes Land ist, sondern eines das von Nächstenliebe und von Solidarität geprägt ist. Das wird über den Tag hinaus neben den schrecklichen Bildern bleiben.

Es ist momentan viel los im Land. Einerseits die Katastrophe an der Ahr, anderseits ist die Corona-Pandemie immer noch nicht vorbei. Wie sehen Sie das? Sehen Sie da einen Grund optimistisch in die Zukunft zu schauen?

Im Grunde schaue ich optimistisch in die Zukunft. Je mehr wir impfen, desto mehr bekommen wir unsere Normalität zurück. Und an dieser Stelle gilt mein Appell: Das ist doch nicht fair dem Teil der Gesellschaft gegenüber, der sich impfen lässt, dass es dann Menschen gibt, Querdenker, Skeptiker, die sagen: ich nicht! Dass Menschen sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, ist absolut nachvollziehbar. Ansonsten finde ich aber, müssen wir alle unseren Beitrag leisten, um mehr Freiheiten zu schaffen. Die Menschen haben das verdient. Die Coronazeit war für viele sehr schwierig. Ganz persönlich, eingeengt, nicht mit Arbeitskollegen zusammen sein. Die Kinder mit großen Einschränkungen in den Kitas und in den Schulen. Das war für die Gesellschaft sehr schwierig. Doch jetzt können wir nach vorne blicken. Wir sind zu einem großen Teil geimpft. Es könnten eigentlich alle geimpft sein, bei denen es möglich ist. Und da kann ich nur sagen: das ist der Weg, den es einzuschlagen gilt. Deshalb haben wir jetzt auch Veränderungen vorgenommen bei der Frage, woran wir die Corona-Politik ausrichten.  Es zählen nicht mehr nur die Inzidenzen, sondern auch der Hospitalisierungsgrad. (…) Bei den Intensivbetten sind wir in Rheinland-Pfalz sehr gut aufgestellt. Deswegen schauen wir nach vorne, um ein möglichst freies Leben gemeinsam wieder möglich zu machen.

Was liegt Ihnen in Ihrer Amtszeit besonders am Herzen voranzubringen?

Also erst einmal ist das Amt des Innenministers ja damit verbunden, dass man Kommunalminister ist. Das ist ein tolles Erlebnis, in die Städte und Dörfer zu fahren. (…) Wenn man in die kleinen Dörfer schaut, da passiert so viel. Da kommst du als Innenminister hin und erlebst diesen Bürgersinn, dass Menschen in ihrer Heimat anpacken und sagen: wir wollen unser Dorf, unsere Stadt voranbringen! Das ist für mich wirklich eine Grundhaltung in Rheinland-Pfalz, und die werden wir auch weiterhin sehen und unterstützen. Natürlich werden die jetzigen, aber auch die künftigen Innenminister das unterstützen. Die haben eine so tolle Vereinslandschaft. Man sagt die Rheinland-Pfälzer sind die Nummer eins im Ehrenamt. Das hat natürlich etwas mit unserer kommunalen Landschaft, den kleinen Gemeinden zu tun. Ich habe eben die Hilfs- und Rettungsorganisationen genannt. Die Kultur muss man nennen, den Sport, die Kirchen, die Gewerkschaften – überall engagieren sich Menschen. Das ist toll. Diese Begegnungen, davon lebe ich! Und wenn man dann schaut: Natürlich wollen wir Rheinland-Pfalz modern entwickeln, egal ob es um gute Universitäten, gute Hochschulen, gute Schullandschaft geht, oder auch um die Sicherheit in unserem Land. Da gibt es viele Dinge, woran man mitarbeiten darf. Da bin ich sehr stolz drauf! (…)

Vielen Dank, Roger Lewentz, vielen Dank Jasmin Peters, die das Interview in unserem Auftrag führte.