Liebe Leserinnen und Leser.
Als Thriller-Autorin werde ich oft gefragt, was mich dazu treibt, Bücher zu schreiben, die den Lesern Schauder über den Rücken jagen. Nun, es gibt eindeutig eine Faszination für das Grauen, die weit in die Geschichte der Menschheit zurückreicht.
Mich reizt jedoch eher der (vermeintliche) Widerspruch zwischen Gut und Böse. In Krimis darf Letzteres in Reinform auftreten, denn keiner stellt in meinem Genre infrage, dass es dieses Böse gibt. Doch wie steht es um das Gute?
Wie „gut“ können die Aufrechten sein, ohne unglaubwürdig zu wirken? Gibt es das „reine Gute“ überhaupt? Oder steckt in jedem von uns ein potenzieller Rächer, der zur Gewalt greifen würde, wenn man ihn nur genügend reizt? Das ist für mich eine überaus spannende Frage und ich glaube, die meisten Menschen würden die darin versteckte These nicht allzu weit von sich weisen.
Umso erstaunter nehme ich zur Kenntnis, dass neuerdings immer wieder Leute auftauchen, die sich nicht nur zu den Guten erklären, sondern gleich alle verteufeln, die anders denken als sie. Die andere zu ihrem „Glück“ zwingen wollen, statt sie mit guten (!) Argumenten zu überzeugen. Diese Auslegung des demokratischen Prinzips wirft neue Fragen auf. Zum Beispiel die, ob jemand, der sich selbst auf diese Weise über andere erhebt, überhaupt ein „Guter“ sein kann? Ich habe da so meine Zweifel.
Für mich selbst habe ich entschieden, dass es mir ausreicht, jeden Tag ein klein wenig besser zu werden. Ein bisschen klüger, verantwortungsbewusster, mutiger, weitsichtiger, wahrhaftiger. Wenn ich am Ende meines Lebens „besser“ bin als zu Beginn, bin ich glücklich. Ist das ein guter Weg? Für mich schon. Ob er sich auch für andere richtig anfühlt, weiß ich nicht. Das darf und muss jeder selbst entscheiden.
Denn das ist es doch, was eine demokratische Gesellschaft ausmacht: Die Freiheit, den eigenen Überzeugungen zu folgen, und die Toleranz, das auch jedem anderen Menschen zuzubilligen. Oder wie Rosa Luxemburg es vor mehr als hundert Jahren formulierte: Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.
Doris Litz
Journalistin und Schriftstellerin