Liebe Leserinnen und Leser,
Noch ein Corona-Text…? Muss der jetzt auch noch seinen Senf dazu geben? Wenn Sie glauben nein, bitte weiterblättern. Die Euro und Olympia werden sicher super. Wer jetzt noch dabei ist: Schön, dass wir unter uns sind. So muss sich also Artensterben anfühlen. Man vegetiert vor sich hin, ohne Bewegung, kein Entertainment, kaum Artgenoss*innen um sich und die bekommen zunehmend schlechte Laune. Es fehlt, was Lebenskultur so ausmacht, abseits von Stoffwechseln und Zellteilung. Wir wissen nicht, ob Bienen ihre Wiesen vermissen, aber man bekommt eine Ahnung davon. Was wir wissen ist, dass alle mächtig in den Startlöchern stehen. Wenn bald wieder geöffnet wird, dann geht’s richtig los. Urlaubssperre für Standesbeamte. Alles wird nachgeholt!
Im Kulturbetrieb wird seit einem Jahr geackert, was das Zeug hält. Das meiste wandert in die Tonne. Was wir nicht wissen ist, wie es um die Artenvielfalt im kulturellen Sektor bestellt ist. Die ersten Clubs sind bereits pleite, viele weitere, ohne dass es jemand bemerkt. Die Subkultur stirbt, der freien Szene droht das Aus. Freischaffende Künstler- und Techniker*innen haben an Supermarktregalen prima Lebensbedingungen gefunden, heißt es.
Was wir überhaupt nicht wissen ist, wie sich Jungsein, Pubertieren, Erwachsenwerden in dieser Zeit anfühlen muss: Wenn mein erster Sommer zuhause mit den Eltern, ohne Kontakt zu Gleichaltrigen, Jugendräume, Konzerte, mit Maske und Ausgangssperre stattgefunden hätte… gruselig. Was Jugendlichen gerade abverlangt wird, ist ein Riesen-Pfand auf die Zukunft. Denn wenn wir ehrlich sind, ist das nur ein Vorgeschmack auf den Klimawandel, der sie weitaus härter treffen wird als uns. Wir werden gerade Zeuge einer Generation, die doppelt um ihr Leben betrogen wird. Und wissen aus 2020, was geht, wenn die Hütte brennt: Sensationelle medizinische Fortschritte, gesellschaftlicher Zusammenhalt, persönlicher Verzicht – alles möglich.
Wir haben die Banken gerettet, die Lufthansa gekauft, das sollten uns Jugendliche und ihre Kultur ebenso wert sein. Ach ja, die Bienen bitte auch. Bleiben Sie solidarisch!
Volker Cornet
Musiker-Initiative Koblenz Music Live e.V./ Rockmobi