Gespräch mit Christina Gippert zum Brustkrebsmonat Oktober

Im Rahmen des internationalen Brustkrebsmonats, der in Koblenz unter dem Motto „Koblenz wird pink“ sichtbar gemacht wird, haben wir mit Christina Gippert aus Koblenz gesprochen. 2019 hat sie die Trauerbegleitung „Stein und Feder“ in Brüssel als ehrenamtlichen Verein mitgegründet und dadurch ihr Herzensthema entdeckt. Sie enttabuisiert die Trauer. Bei einer Netzwerkveranstaltung sind wir ihr zum ersten Mal begegnet. Schon in der kurzen Vorstellungsrunde war klar: Ihr Thema verdient mehr Raum. Was genau steckt dahinter? Welche Rolle spielt Trauer im Alltag, am Arbeitsplatz und im sozialen Umfeld? Die Neugier war geweckt, und so haben wir das Gespräch in ruhiger Atmosphäre in unserer Redaktion vertieft.

Trauer hat viele Gesichter

„Um zu trauern, muss niemand sterben,“ erklärt Christina Gippert. „Trauer ist immer ein Hinweis auf einenVerlust – ein Signal, dass das Leben nach einer einschneidenden Veränderung nicht mehr so ist wie bisher“. Auch eine Trennung, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Krebsdiagnose können tiefe Trauer auslösen. Wie Menschen damit umgehen, ist individuell und abhängig vom jeweiligen Nervensystem: wie wurde man erzogen und sozialisiert? Welche Rolle spielten Gefühle – insbesondere Trauer dabei, und welche persönlichen Erfahrungen hat man im Leben gemacht?

Wenn die Diagnose alles verändert

Eine Krebsdiagnose ist nicht nur ein medizinischer Befund. Für Betroffene und ihr Umfeld ist sie eine Zäsur im Leben. Der Verlust von Sicherheit, Unbeschwertheit und Alltagsroutine wiegt schwer. „Genau darüber wird aber selten gesprochen“, sagt Gippert. „Während Freude selbstverständlich geteilt wird, haben schmerzhafte Emotionen oft keinen Platz. Dabei ist das Wichtigste in solchen Momenten: zuhören, da sein und gemeinsam aushalten.“

Besonders heilsam empfindet sie dabei die Verbindung von Gespräch und Bewegung in der Natur. Bei Spaziergängen werde Wandel auf eine sanfte Weise erlebbar: „An Flüssen oder im Wechsel der Jahreszeiten lässt sich Veränderung gut nachvollziehen. Manchmal genügt es, Fragen stellen zu dürfen – sie müssen gar nicht beantwortet werden.“

Die Unsicherheit im Umfeld

Nicht selten sind es Angehörige, Freunde oder Kollegen von Trauernden, die Gippert um Unterstützung bitten. „Viele haben Angst, etwas Falsches zu sagen. Was helfen kann, sind praktische Erleichterungen im Alltag und, die Betroffenen direkt zu fragen: Möchtest du heute darüber reden – oder lieber nicht? Diese Offenheit nimmt Druck und schafft Vertrauen.“

Auch am Arbeitsplatz sei das entscheidend: „Heutzutage verbringen viele von uns mehr Zeit mit Kollegen als mit der Familie. Wir Menschen haben unsere Emotionen immer dabei – auch am Arbeitsplatz. Zusätzlich werden wir dort auch mit den Verlusten anderer Menschen konfrontiert, zum Beispiel durch eine an Brustkrebs erkrankte liebe Kollegin.

Prävention und Begleitung

Christina Gippert bietet Einzel- und Gruppengespräche, online Vorträge sowie live Workshops an, um Teams und Führungskräfte für den Umgang mit Betroffenen zu sensibilisieren. „Die Arbeitsfähigkeit einer trauernden Person hängt sowohl vom seelischen Befinden, als auch von der Atmosphäre am Arbeitsplatz ab. Unternehmen, die dies berücksichtigen, stärken den Zusammenhalt sowie die Effektivität und die Bindung der Mitarbeiter, was zu geringeren Kosten durch weniger Fehlzeiten und geringere Fluktuation führen kann.

Ihr Appell: „Es geht nicht darum, dass jemand trotz Krankheit funktioniert. Trauer braucht Zeit, Raum und Verständnis.“

Koblenz wird pink

Im Oktober setzt die Stadt Koblenz mit der Aktion „Koblenz wird pink“ ein sichtbares Zeichen für den Brustkrebsmonat. Christina Gippert betont: „So wie die pinken BHs und Lichter in der Stadt Aufmerksamkeit schaffen, brauchen auch die Betroffenen echte menschliche Zuwendung. Trauer im Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose ist kein Tabuthema – sie gehört zum Leben und kann, wenn man sie zulässt, zu einem stärkenden Prozess werden.“

Save the Date

Montag, 27. Oktober, 18 bis 20 Uhr
Project Vegan Koblenz
Life happens – das Ding mit der Trauer.
Es muss niemand sterben, um zu trauern. Auch der Verlust der Gesundheit schmerzt. Willkommen sind alle, die sich für das Thema interessieren.

Kontakt zu Christina Gippert
E-Mail: verlustkultur@web.de
Website: www.christina-gippert.de
LinkedIn: Christina Gippert
Instagram: @christinagippert