Moderation Dieter Aurass
In der sechsundzwanzigsten Folge haben wir uns mit der Autorin Susanne Kriesmer aus Burgbrohl unterhalten. Die gelernte Buchhändlerin hat zuletzt die Familiensaga „“Schneiderei Graf – Schicksalzeiten“ veröffentlicht. Im Januar 2023 erscheint schon der zweite Teil im Lübbe Verlag. Sie ist einen ungewöhnlichen Weg zur Veröffentlichung gegangen: ohne fertiges Manuskript hat sie sich an einen Literaturagenten gewandt – und damit Erfolg gehabt. Aber lest selbst im vorliegenden Gespräch-Auszug mit der Autorin und unserem Moderator Dieter Aurass. Das ganze Gespräch könnt ihr euch auf den gängigen Streaming-Portalen wie u.a. anchor und spotify oder über unsere sozialen Kanäle anhören.
Wie bist du zu dem Genre gekommen, in dem du veröffentlichst und was liest du selbst gerne?
Deswegen habe ich zunächst auch Urban Fantasy geschrieben. Da ich das tatsächlich auch am liebsten lese. Aber ich bin ja gelernte Buchhändlerin. Wenn das auch mein liebstes Genre ist, lese ich im Grunde alles. Bis auf Horror muss ich gestehen. Ansonsten lese ich aber wirklich durch alle Genres hinweg. Als ich noch in der Buchhandlung gearbeitet habe, mussten es im Winter, sobald es draußen dunkel wurde, die kitschigsten Liebesromane sein. Die mussten so kitschig sein, dass es einem einfach warm ums Herz wurde. Im Frühjahr lese ich dagegen lieber Krimis. Fantasy oder Urban Fantasy kann ich eigentlich immer lesen, wie auch Familiensagen. Ich habe eben auch beim Schreiben verschiedene Genres ausprobiert, bevor ich jetzt bei der Familiensage gelandet bin.
Und schon sind wir beim Thema: Familiensaga. Du hast die Schneiderei Graf geschaffen. Erzähl´ uns doch ein bisschen über das erste Buch und wie es überhaupt dazu gekommen ist!
Ja, das ist ganz spannend. Es hat ein bisschen damit zu tun gehabt, dass ich schon vorher Prosaschreiben bei der Textmanufaktur studiert habe per Fernstudium. Weil ich gedacht habe, irgendwie brauche ich noch etwas Schliff und das Handwerk. Mein erster Roman, der in der Schublade liegt, war zwar ganz gut, aber es gab Mängel – ich bin ja Buchhändlerin und merke das schon, wenn ich es selbst lese. Über dieses Fernstudium habe ich dann auch gelernt, dass, wenn ich in die großen Verlage möchte – und das wollte ich – dann brauche ich eine Literaturagentur. Also habe ich dafür Bewerbungen geschrieben. Ich habe einige Absagen kassiert und viel Schweigen. Und bin dann an meinen jetzigen Literaturagenten geraten. Das war wirklich sehr schön. Ich hatte da schon eine Idee zu einem Roman in Bad Godesberg. Es sollte eine Schneiderei sein. Aber es sollte ursprünglich in der heutigen Zeit spielen. Dann sagte er aber zu mir: Überlegen Sie doch einmal, wenn Sie ein bisschen in der Zeit zurück gehen… Können Sie sich das vorstellen? Erst habe ich da gesessen und gedacht: ne, das kann ich nicht. Aber dann hab´ ich darüber nachgedacht und mit meiner Mutter telefoniert, die selber gelernte Schneiderin ist. Sie hat Anfang der Sechziger Jahre in Bonn Bad Godesberg in einer sehr großen Damenschneiderei gelernt. Als sie dann ein bisschen davon erzählt hat, habe ich recherchiert und bin über 1958 gestolpert. Über den 1. Juli 1958. An diesem Tag ist das sogenannte Gleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten, das es Frauen erstmalig erlaubt hat in der Ehe eigenes Geld zu haben, ihren Namen weiterzuführen und – das fand ich aus heutiger Sicht ganz skurril – mitentscheiden zu dürfen in der Ehe. Ich bin also über dieses Datum gestolpert und habe es meinem Agenten vorgeschlagen. Da war er sofort dabei und meinte: Arbeiten Sie da mal etwas aus! Ich glaube, er hatte gedacht, ich brauche dann um die drei Monate dafür. Aber es war ein Wochenende über das ich ihm dann einen Plot und auch schon eine erste Leseprobe fertig gemacht habe. Da war er ganz baff und sagte: das ist der Wahnsinn. Das passt ja alles zusammen.
Das ist eine interessante Herangehensweise. Du hast dich bei einer Agentur beworben ohne ein fertiges Manuskript. Die meisten machen das anders und haben alles schon fix und fertig. Womit hast du dich bei der Agentur beworben?
Ich habe gemerkt, so wie ich es vorher gemacht habe, funktioniert es nicht. Und habe eben dann nicht mehr mein Werk in den Vordergrund gestellt, sondern mich bei den Agenturen vorgestellt, ihnen mitgeteilt, was ich bislang geschrieben habe und gefragt: wollen Sie etwas davon lesen? Am nächsten Morgen hatte ich schon die Antwort meines jetzigen Agenten im Emailpostfach. Er teilte mir mit, dass ich zwar schreiben könne, aber die bisherigen Sachen noch nicht auf den Markt passten. Ob ich mir da noch etwas Anderes überlegen wollte. Und dann habe ich die Geschichte mit der Schneiderei eingereicht, wo ich dann später noch die Zeit angepasst habe. Als wir an die Verlage damit gegangen sind, hatte ich nur rund 80 Seiten davon geschrieben. Mehr hatten die von mir nicht gesehen.
Toll. Das ist ein anderer Weg, aber der funktioniert, um zu einer Agentur und einem Verlag zu kommen. Ich denke, dass man auch in einer Mail schon sieht, ob jemand schreiben kann oder nicht. Ich bin zwar einen anderen, härteren Weg gegangen, aber ich finde es sehr gelungen! Du hast so natürlich die Möglichkeit, das zu schreiben, was gerade en vogue ist und aktuell gerne gelesen wird. Erzähl uns kurz, um was geht es bei der Schneiderei Graf genau?
Es geht um die junge Frau Edith, die gerade 18 geworden ist. Heutzutage sagt man: mit 18 kann ich alles machen. Aber in den Fünfziger Jahren in der Bundesrepublik Deutschland war man da noch nicht erwachsen. Das war man erst mit 21. Sie hat demnach noch keine Entscheidungsfreiheit und sie arbeitet in der familieneigenen Herrenschneiderei. Ihr Zwillingsbruder Joachim soll irgendwann die Schneiderei übernehmen und Edith darf im Grunde gar nichts dort machen, außer Fenster putzen und Regale wischen. Doch das ist ihr nicht genug. Die Eltern aber sagen, mehr brauche sie nicht – wie das leider in den Fünfzigern noch so war (…)
Mehr aus dem Gespräch zwischen Dieter Aurass und Susanne Kriesmer findet ihr online auf Anchor, Spotify etc oder auf unseren sozialen Kanälen