„Sie (Demente) sind bis zum Schluss zu erreichen. Man muss nur anders kommunizieren, es geht nicht mehr über den Verstand, sondern es geht über das Gefühl.“

Das Magazin NEXT hat Sophie Rosentreter getroffen und sich mit ihr unter anderem über ihre Entdeckung in der Late-Night-Show von Thomas Gottschalk, ihre darauffolgende Model-Karriere, vor allem aber über ihr jetziges Engagement in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz gesprochen.

Wir machen einen kleinen Zeitsprung am Anfang. In der Show „Gottschalk Late Night“ ging eine Veränderung los.  Haben sie Erinnerungen an die Zeit, die danach kam?

Ja, kurz davor wollte ich noch Tierärztin oder Prima-Ballerina werden und auf einmal war ich in einem Modelcontest drin. Heidi Klum hat zu Recht gewonnen. Ich  war im Finale und danach bin ich auf einmal in die Modelwelt reingefallen und gestolpert. Und dann wurde es bunt und wild und ich bin nach Paris, London und Athen, habe mir quasi vier Jahre Auszeit genommen, die Schule geschmissen – zum Leidwesen meines Vaters. Aber es war toll. Auf einmal war mehr Leben als nur der Schulhof angesagt.

Das ist ja ein vielleicht relativ oberflächliches Dasein. Und dann kam dieser Sprung zu „Ilses weite Welt“…

Wie es meistens so ist, ein persönliches Schicksal was man trägt, was einem zum Umdenken bewegt und so war es bei mir auch. Meine Großmutter Ilse hatte die Diagnose Alzheimer. Wir haben sie sieben Jahre zu Hause gepflegt und ist dann noch zwei Jahre im Heim gewesen und in diesem Heim wurde sie immer vor dem Fernseher geparkt und ich merkte diese schnelle Welt unseres Fernsehens kommt so gar nicht klar mit der langsamen Welt meiner Großmutter, die so ganz langsam ist und voller Gefühl. Deshalb wollte ich dann Filme für Omi machen, und dann ist Omi aber verstorben. Und ich wusste, eine innere Stimme sagte mir: das ist der richtige Weg! Und ich habe mein Geld genommen, mich auf den Weg gemacht und die ersten Filme gedreht und habe sie dann getestet über anderthalb Jahren im Heim. Meine erste Testvorführung – weiß ich noch wie heute – mit 30 demenziell veränderten Menschen im Raum und auf einmal ging eine zittrige Hand nach oben und erzählte eine Dame vom Reiten und Bauernhof wie früher.  Und die sagten, Frau Rosentreter, diese Dame hat seit einem Jahr nicht gesprochen. Und da wusste ich: okay, hier geht´s  los!

Sie unterstützen ja Angehörige und Betreuer dementer Menschen. Sie wurden mit dem Health-Media-Award dafür ausgezeichnet. Was ist Ihrer Meinung nach besonders wichtig im Umgang mit dementen Menschen?

Es sind so viele Sachen, aber das Wichtigste ist, dass man den Verstand ein Stück weit loslässt. Und es ist auch kein langer Abschied – wie es so oft heißt über diese Diagnose. Sondern wir alle verändern uns mit jeder Erfahrung und mit jedem Tag und so ist es bei Menschen mit Demenz auch und sie sind bis zum Schluss zu erreichen. Man muss nur anders kommunizieren, es geht nicht mehr über den Verstand, sondern es geht über das Gefühl. Und das ist für uns als total verkopfte Gesellschaft sehr schwer. Auf einmal ist wieder Intuition und Gefühl gefragt. Aber das habe ich doch nicht gelernt. Ich muss eine Rolle einnehmen. Ich muss gut sein. Ich muss das präsentieren, was andere sehen sollen. Und auf einmal gehen diese Rollen weg und auf einmal gehen wir übers Gefühl. Das ist schwer. Aber es ist eine Chance. Denn daran können wir „Gesunden“ auch wachsen und für pflegende Angehörige ganz wichtig: „Hilfe annehmen“! Ganz ganz wichtig. Das ist das A und O. Wir haben´s damals nicht getan: ein  „großer Fehler“…

Vielen Dank, Sophie Rosentreter, dass sie sich Zeit für das sehr interessante Interview genommen haben.
Vielen Dank Johannes Fischer, der das Interview in unserem Auftrag führte.