„Wenn einer keine Geschichte hat, und hat ´ne gute Sprache, nützt das nichts.“

Wir haben Schriftstellerin und Literaturkritikerin Elke Heidereich vor ihrer Veranstaltung mit ihrem Kollegen Philipp Tingler im Rahmen der Koblenzer Literaturtage ganzohr im Theater Koblenz getroffen. Sie verriet uns was sich hinter dem Millionenbestsellererfolg „Nero“ verbarg, was ein gutes Buch ausmacht und welcher Schriftsteller sie aktuell am meisten fasziniert.

Frau Heidenreich, wenn wir ein paar Jahre zurück schauen: wo war Ihre erste tiefere bedeutende Begegnung mit der Literatur?

Bei mir war das Doktor Dolittle und seine Tiere. Das Kinderbuch über den Arzt. Daran erinnere ich mich als allererstes.

Und die Affinität zu Tieren ist ja bei Ihnen sowieso ganz groß…

Ja, genau. Auch heute. In der Garderobe sitzt mein Mops. Meine Mutter hat mir Bücher geschenkt in denen Tiere vorkamen. Zum Trost, weil wir uns keines leisten konnten. Und dass war für mich ganz wichtig. Doktor Dolittle ist diese Geschichte von Hugh Lofting, einem Engländer, über einen kleinen Doktor der die Menschen leid ist, weil die so arrogant sind und er wird Arzt für Tiere. Die Tiere bringen ihm nach und nach die Tiersprache bei. Und ich kann die auch. Man kann mit Tieren reden, man muss nur wollen.

Wenn wir über Tiere reden, dann habe ich eine gewisse Faszination Nero. ( Anmerkung der Redaktion: millionenfach verkauft und in 30 Sprachen übersetzt !)

Ja Nero. Wobei mein Mann immer lästert und sagt ist in China ein Kochbuch. Nero ist ein Kater gewesen den ich aus Italien mitgebracht habe. Da war er klein und niedlich und entwickelte sich zu einem Elf-Kilo Teil. Er war wie ein Mafioso, ein wirklicher Italiener. Hat die ganze Gegend tyrannisiert, viele Katzen geschwängert und ich hatte irgendwann Lust im Garten zu sitzen, ein Glas Wein zu trinken und ich hab ihn angeguckt und über ihn geschrieben. Es hat mich zwei Nachmittage bei guter Laune gekostet. Dann habe ich es aus Spaß an den Verlag geschickt und es wurde ein Millionenerfolg.

Hat man da nicht eine diebische Freude wenn man zwei Nachmittage arbeitet und hat ein Millionending geschaffen?

Aber so rechne ich nicht. Weil es hat mich sorgenfrei gemacht. Ich fand es toll. Aber ich habe ihn ja nicht geschrieben, um reich damit zu werden. Ich habe ihn geschrieben aus Liebe. Das war für mich ein großes Glück.  Dieser wunderbare Kater. Manchmal fällt einem was leicht…

Was macht denn für Sie ein gutes Buch eigentlich aus?   

Julia Franck, die junge Schriftstellerin, hat mal gesagt: „Die Leute sagen immer: Ich habe keine Zeit zum Lesen. Für sie sei Lesen Zeitgewinn, weil sie dadurch so viele Leben erfahren kann. Durch Reisen die sie nicht machen muss, Menschen die sie nicht kennenlernen muss, sondern sie einfach im Buch kennenlernt, also ein Erfahrungs- und Lustgewinn durchs Lesen.  Man sollte trotzdem reisen. Ein gutes Buch ist letztlich eine gute Geschichte, gut erzählt. Wenn einer keine Geschichte hat, und hat ´ne gute Sprache, nützt nichts. Beides muss zusammen passen.

Welcher Schriftsteller oder welche Schriftstellerin fasziniert Sie im Moment beide am meisten?

Tingler:Ich bin total fasziniert von James Baldwin im Moment, der wieder auf deutsch neu erscheint und der finde ich,  jenseits des Umstandes, dass er jetzt sehr positioniert wird im Rahmen der wiedererstarkten Bürgerrechtsbewegung – wenn man es so sagen kann – in Amerika, darüber hinaus einfach ein großartiger Sprachkünstler und Schriftsteller ist. Und eine zeitlose Botschaft von Autonomie und Individualität, die ich sehr wichtig findegrade in unseren Tagen, präsentiert. Also ich bin ganz fasziniert von James Baldwin. Heidenreich: Ich finde schön, dass der ganze Truman Capote neu aufgelegt wird. Und ich lese immer mal wieder darin. Vieles kannte ich noch gar nicht. Manches schon. Wie böse er ist aber auch wie zart, wie grausam, wie brillant. Das macht mir im Moment große Freude.  Nicht dienstlich, sondern privat.

Vielen Dank Elke Heidereich und Philipp Tingler, dass Sie sich Zeit für das sehr interessante Interview genommen haben. Vielen Dank, Johannes Fischer, der das Interview in unserem Namen führte.