Osterzeit ist Naschzeit. Während der vergangenen Osterfeiertage haben Viele in Punkto Schokohasen und Co. wieder zugelangt. In Maßen ist Essen aus Emotionen wie Freude oder Stress heraus nicht ungewöhnlich. Wird emotionales Essen zur Gewohnheit und vor allem bei negativen Stimmungen unverzichtbar, ist Vorsicht geboten. Langfristig kann sich daraus eine Essstörung entwickeln. Schnell gerät man in einer Spirale aus Futtern, Frust und Schuldgefühlen. Wer da alleine nicht mehr rauskommt, sollte sich professionelle Hilfe suchen – z. B. bei einer Selbsthilfegruppe begleitend zu einer Therapie. Gemeinsam mit den Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstellen (SEKIS) in Rheinland-Pfalz will die IKK Südwest über die Themen Emotionales Essen und Essstörungen informieren, um Betroffenen schnellstmöglich Hilfe bieten zu können.

Das will auch Anne-Marie Seekings. Sie war selbst emotionale Esserin und hat eine Tochter, die zehn Jahre an einer schweren Essstörung litt. Heute sind beide gesund. Ihre Erfahrungen und Lösungswege aus dieser Zeit gibt Anne-Marie Seekings schon seit acht Jahren an Betroffene weiter. Als zertifizierte psychologische Beraterin unterstützt sie die SEKIS Trier. Seit vielen Jahren leitet sie Selbsthilfegruppen für emotionale Esserinnen und Esser und für Eltern und Angehörige von Menschen mit Essstörungen.

„In meinen Workshops zum Thema Emotionales Essen sind fast nur erwachsene Frauen. Teilweise leiden sie schon seit Jahrzehnten an dieser Art und Weise zu essen, finden aber selbst den Weg nicht raus. Oft sind sie magersüchtig, meistens aber übergewichtig. Sie sind verzweifelt und hilflos, haben aber auch große Schuldgefühle“, berichtet Frau Seekings, die oft auch Angehörige als direkte Betroffene erlebt. Die Eltern von Kindern, die schon in einer tiefen Essstörung sind, sind fast immer rat- und machtlos. Sie finden oft keine Verbindung mehr zu ihrem Kind. Die Kinder riegeln sich ab, Ermahnungen und Bitten helfen meist wenig. Meine Tochter hat sich damals auf 30 Kilo runtergehungert und nichts, was wir als Eltern gesagt haben, hat geholfen.“

In Selbsthilfegruppen über Erfahrungen sprechen

Wichtig: Wer an sich selbst oder an anderen erkennt, dass das emotionale Essverhalten in eine problematische Richtung geht, oder dass bereits eine Essstörung wie Bulimie, Magersucht oder Esssucht besteht, sollte sich professionelle Hilfe suchen. In diesem Fall ist es ratsam, einen Arzt, einen Psychotherapeuten oder eine Beratungsstelle aufzusuchen. Aber auch Selbsthilfegruppe können helfen: Hier haben Betroffene und ihre Angehörigen die Möglichkeit, in einem geschützten Raum über ihre Erfahrungen zu sprechen – ohne Bewertung oder Schuldzuweisung.  „Viele Menschen reden in der Selbsthilfegruppe zum ersten Mal über ihr Problem. Da muss zuerst das notwendige Vertrauen aufgebaut werden“, weiß Anne-Marie Seekings. „Ich unterstütze in der Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Essstörung auch, indem ich über die Krankheiten aufkläre: Was bedeutet die Krankheit? Wo liegen die Ursprünge? Wo findet man medizinische Betreuung? Hauptsächlich geht es aber um Austausch unter den Eltern, denn es gibt Halt zu wissen, dass man mit seinen Problemen nicht alleine ist.“

In ihren Workshops zum Thema Emotionales Essen geht Frau Seekings mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern tiefer in die Ursachen hinein: „Emotionales Essen ist eine Kompensation für unausgesprochene Gefühle. Vor allem die Lockdowns während der Corona-Pandemie haben viele Ängste bei den Menschen ans Tageslicht gebracht, die schon länger in ihnen brodeln: In den eigenen vier Wänden mit kaum Möglichkeiten sich abzulenken, waren viele Menschen plötzlich alleine mit sich selbst, mussten sich zwangsläufig mit den eignen Gefühlen und Ängsten auseinanderzusetzen. Oft kompensieren Betroffene Gefühle wie Angst schon seit ihrer Kindheit.“ In ihren Gruppensitzungen gibt Frau Seekings Impulse und macht Übungen, um den Betroffenen diese Prozessen vor Augen zu führen. Außerdem gibt sie Ratschläge und Tipps mit emotionalem Essen umzugehen bzw. dem vorzubeugen.

Die IKK Südwest unterstützt die Arbeit der Selbsthilfe in Rheinland-Pfalz schon seit vielen Jahren

Vor allem mit dem Schwerpunktprojekt „Wir sind Selbsthilfe“ trägt die IKK Südwest zur weiteren Stärkung der Selbsthilfe bei. Gemeinsam mit den Kontaktstellen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland sollen kreative, innovative Ideen von Selbsthilfegruppen angeregt und unterstützt werden. Das übergeordnete Ziel:  neue Formen und Wege entdecken. Eine eigens eingerichtete Coaching Hotline beispielsweise bietet die Möglichkeit, auch kurzfristig Hilfe von Expertinnen und Experten zu bekommen – vor allem in besonderen Belastungssituationen. Dazu gehören: Trennungen, Konflikte in den Selbsthilfegruppen, aber auch der Umgang mit Erkrankungen wie zum Beispiel Corona. Aktuelle Einzelprojekte und was „Wir sind Selbsthilfe“ noch so kann, erfahren Sie auf der Webseite unter: www.wir-sind-selbsthilfe.de.

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