Ab Oktober 2025 tritt in Rheinland-Pfalz ein neues Bestattungsgesetz in Kraft, das bundesweit als das liberalste seiner Art gilt. Nach mehr als vier Jahrzehnten ohne grundlegende Reform bricht das Land damit bewusst mit traditionellen Vorgaben und eröffnet Angehörigen deutlich mehr Freiheiten beim Abschied von Verstorbenen.
Mehr Möglichkeiten für individuelle Abschiede
Kern der Reform ist die Aufhebung des Friedhofszwangs: Urnen dürfen künftig nicht nur auf kommunalen Friedhöfen beigesetzt werden, sondern können auch zu Hause aufbewahrt, aufgeteilt oder auf privatem Grund verstreut werden. Zudem wird die Flussbestattung in Rhein, Mosel, Lahn und Saar erlaubt. Auch die Verarbeitung von Asche zu Erinnerungsstücken – etwa in Form von Diamanten oder Keramiken – ist künftig möglich.
Ein weiteres Novum ist die Tuchbestattung, die nun allen Menschen offensteht, unabhängig von religiöser Zugehörigkeit. Damit entfällt auch die Pflicht zur Sargbestattung.
Bedingungen und Schutzregelungen
Die neuen Bestattungsformen sind an klare Voraussetzungen gebunden: Verstorbene müssen ihre Wünsche zu Lebzeiten schriftlich festgelegt haben. Zudem darf nur eine benannte Vertrauensperson – etwa ein Bestatter oder enge Angehörige – die Umsetzung begleiten. Um Bestattungstourismus zu verhindern, ist der Hauptwohnsitz der verstorbenen Person in Rheinland-Pfalz erforderlich.
Darüber hinaus bringt das Gesetz weitere Neuerungen:
Verlängerte Fristen: Bestattungen sind nun innerhalb von 14 statt bislang 10 Tagen möglich.
Neue Transparenz: Eine Abschiednahme am offenen Sarg wird ausdrücklich gestattet.
Stärkung der Kinderrechte: Sternenkinder – also Babys unter 500 Gramm oder vor der 24. Schwangerschaftswoche – können künftig würdevoll beigesetzt werden.
Medizinische Sicherheit: Bei unklaren Todesfällen von Kindern bis sechs Jahren ist künftig eine Obduktion verpflichtend.
Zustimmung und Kritik
Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) spricht von einem „zeitgemäßen Gesetz, das individuelle Wünsche und die Würde des Abschieds in Einklang bringt“. Viele sehen darin einen Fortschritt hin zu mehr Selbstbestimmung.
Doch es gibt auch kritische Stimmen: Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche warnen, dass private Urnenaufbewahrung oder Ascheverstreuung den gesellschaftlichen Wert öffentlicher Trauerorte untergraben könnten. Auch der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz fürchtet steigende Friedhofsgebühren, wenn weniger Menschen klassische Grabstätten nutzen.
Ein Paradigmenwechsel in der Bestattungskultur
Mit der Reform stellt Rheinland-Pfalz das traditionelle Verständnis von Bestattung auf den Kopf. Während für die einen mehr persönliche Freiheit im Mittelpunkt steht, betonen andere die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Orte der Erinnerung. Klar ist: Ab Oktober 2025 beginnt in Rheinland-Pfalz ein neues Kapitel der Bestattungskultur – vielfältiger, individueller und zugleich herausfordernder für Gesellschaft und Angehörige.







