Was wir die letzten Jahre stets als Selbstverständlichkeit hingenommen haben: nämlich, dass nicht nur die Presse Dinge kritisch hinterfragt, sondern auch Menschen auf der Straße ihre Meinung offen äußern (dürfen), zeigt sich heute mehr denn je als größte Errungenschaft unserer demokratischen Gesellschaft und als Privileg unseres Landes.


Schauen wir jetzt auf andere Länder, nicht weit von uns, müssen die Menschen nicht nur um ihr pures Überleben und ihre Heimat bangen, sondern auch darum, jemals wieder so frei zu sein, wie sie es sich vor nicht allzu langer Zeit erkämpft haben, wie sie es vor dem Krieg noch gewesen sind.


Währenddessen gehen in Russland Menschen auf die Straße, um gegen die Machenschaften ihres Präsidenten zu demonstrieren, sich öffentlich gegen seine Kriegsführung auszusprechen und ihn zur Beendigung des Krieges aufzufordern. Und was passiert mit ihnen? Sie werden vom eigenen Staat weggesperrt. Ihnen droht für die öffentliche Meinungsäußerung nicht nur eine Geld- sondern gleich eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren. Was absurd klingt, ist seit der Änderung des russischen Strafgesetzbuches zur bitteren Realität geworden. Denn damit steht nun die „öffentliche Verbreitung absichtlich falscher Informationen über die Benutzung der Streitkräfte der Russischen Föderation“ unter Strafe – und die Berichterstattung über Russlands Krieg gegen die Ukraine ist faktisch für verboten erklärt. Alle Informationen, die nicht der Sicht des Kreml entsprechen, gelten nun als „Fake“ – und das nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Es betrifft alle. Weshalb nun bereits viele Medien, die Journalisten in Russland im Einsatz haben, ruhig geworden sind – einzig und allein zum Schutz ihrer Mitarbeiter.


Dabei herrscht im Land schon länger eine strenge Zensur, die den Sendern vorschreibt, was sie zu sagen haben und jene Medien, die dies nicht hinnehmen (möchten), ganz verbietet. So wird noch immer auf russischen Medien nur von einer “militärischen Spezialoperation“ gesprochen, kein Wort über Krieg ist erlaubt. Soziale Medien, auf die russische Behörden keinen Einfluss nehmen können, werden kurzerhand vom Netz genommen. Zusammenfassend kann die Rede davon sein, dass der unabhängige Journalismus dort faktisch sein jähes Ende gefunden hat. Und mit ihm jegliche Option auf freie Meinungsäußerung. Dabei ist diese zusammen mit der Pressefreiheit ein Grundpfeiler der Demokratie. Beide Rechte sind im Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes geregelt. So wird bei uns verhindert, dass eben keine Regierung die Medien in ihrer Berichterstattung beeinflussen und bestimmen kann, worüber die Bevölkerung informiert wird. Die Presse ist unabhängig und frei.


„Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ — heißt es im Artikel 5 GG


Dabei ist die Presse in den letzten Jahren auch in Deutschland gelegentlich in Verruf geraten. Stimmen werden lauter gegen eine „Lügenpresse“, die manches verschleiert, während sie andere Themen aufbauscht. Aber spätestens seit Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten war, dürfte wohl jedem klar sein, dass nicht alles, das sich im Internet verbreitet, auch der Wahrheit entspricht. Falschmeldungen, bewusst falsch interpretierte Daten oder aus dem Zusammenhang gerissene Zitate gehören zum Alltag in den sozialen Netzwerken. Die Corona-Pandemie hat den Aufwärtstrend bei Fake News dazu noch mal mehr verstärkt: 2020 gaben drei Viertel der Deutschen an, seit Beginn der Pandemie mit mehr Falschnachrichten als vorher konfrontiert zu sein. Kein Wunder also, dass viele sich kritisch äußern. Doch demonstriert genau das nicht auch, wie bedeutsam richtiger Journalismus ist? Dass wir unsere Informationen eben nicht ausschließlich aus dem Internet beziehen sollten, sondern den Medien, die ihrer Aufgabe pflichtbewusst nachkommen, unser Vertrauen schenken können. Jene sind es nämlich, die ein Zeichen setzen für Unabhängigkeit, freie Meinungsäußerung und kritische Auseinandersetzung mit Themen und Aussagen, auch von Politikern. Den Journalismus einzuschränken, bedeutet die Menschen in ihrer Freiheit zu beschränken – und dagegen müssen auch wir uns wehren, solidarisch mit der Ukraine!






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