Eine Kurzgeschichte von Alena A Weber

Die Wiese hinter dem Haus scheint endlos.

Und viel zu schön, um wahr zu sein.

Langes Gras und tausend bunte Blumen, Luft, die nach Sonnenschein und Leben riecht.

Dahinter ein hoher Wald, viele Nadel- und ein paar Laubbäume, die ihre Schatten über die Ringel- und Kornblumen, die Vergissmeinnicht und Stiefmütterchen, den Hornklee und die Gänseblümchen werfen.

Weiß wie ebenjene Blüten ist das Kleid, das sie trägt, ein leichter Stoff, der ihr bis zu den Knien reicht. Ihre blonden Haare sind zu einer kleinmädchenhaften Frisur geflochten.

Mama hat ihr die gemacht.

Mama kann toll flechten.

Papa kann toll vorlesen.

Und er macht immer lustige Witze.

Sie liegt auf der Wiese und schaut hinauf in den Himmel. Blau mit ein paar Wolkenfetzen, hinter denen sich die Sterne verstecken müssen.

Fliegen würde sie gerne können.

Sie zupft eine Ringelblume aus der Wiese, dreht sie zwischen ihren Fingern. Pflückt ein Stiefmütterchen, eine Tulpe, ein paar Gänseblümchen und hält einen kleinen Strauß in der Hand.

Den wird sie Mama mitbringen.

Mama liebt Blumen.

Dann ein Ruf.

Es ist Papas Stimme, bald auch Mamas.

Sie richtet sich auf, blickt zu dem kleinen Haus, doch obwohl sie das Rufen ihrer Eltern hört, sieht sie weder Papa noch Mama.

Mama weint. Papa weint.

Warum?

Sie steht auf, will nach Hause gehen. Aber der Wald hinter ihr und die Wiese selbst sehen so einladend, so gemütlich aus.

Trotzdem will sie zurücklaufen.

Aber ihre Beine wollen sie nicht mehr tragen.

Sie will rufen.

Aber ihr Mund will nicht mehr sprechen.

Sie sinkt zurück auf die Knie, kann nicht mal mehr weinen.

Kann nichts.

Nur lächeln.

Sie ist müde, aber sie will nicht schlafen.

Fast wie von selbst gleitet sie zurück zwischen die Blumen, sieht hinauf in den Himmel.

Mama? Papa?

Doch das grüne Gras flüstert ihr Mut zu.

Ammelie schließt lächelnd die Augen. Hält den kleinen Blumenstrauß fest in der Hand.

Alles, alles entfernt sich immer mehr, ist so weit weg.

Nur die Sterne, die tatsächlich wie Diamanten hinter den Wolken schimmern, scheinen plötzlich zum Greifen nah.

Für Ammelie, und natürlich für Isa und Andi.

Alena A. Weber

Autorin

Illustration: Clara Jochum