In dieser Ausgabe haben wir uns mit Autorin, Texterin, Kommunikationberaterin und Digitalstrategin Jennifer Klinge, die gebürtig aus Koblenz stammt, über Feminismus, ihre Meinung zum Gendern und ob es eine weibliche Form vom Kowelenzer Schängelche gibt, unterhalten. Aber natürlich auch zu ihrem Buch „Auch gut“ aus dem sie am 11. Juli in der Stadtbibliothek lesen wird und wie es ihr gelungen ist bereits ohne angefangenes Manuskript einen Verlag dafür zu finden.

Einen Auszug des äußerst interessanten Gesprächs zwischen Moderator Dieter Aurass und Jennifer Klinge lest ihr hier. Das komplette Interview könnt ihr euch im Podcast anhören.

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Liebe Jennifer, Du bezeichnest dich selbst als Feministin. Ich habe das natürlich nachgelesen und herausgefunden, dass Feministen und Feministinnen sich für Emanzipation, Geschlechtergerechtigkeit und die Abschaffung von Diskriminierungen einsetzen. Trifft das wenigstens in Ansätzen deine Selbstbestimmung oder siehst du dich anders?

Absolut richtig so. Für mich bedeutet Feminismus einfach Chancengleichheit für alle. Es ist, finde ich, immer ganz wichtig, im Verständnis von Feminismus, dass es nicht darum geht, Frauen zu bevorzugen, sondern wirklich für alle Geschlechter die gleichen Chancen, die gleichen Rechte. So kann man das zusammenfassen.

Ich glaub da bestehen große Missverständnisse in der Begrifflichkeit von Feminismus, weil so gesehen bin ich schon seit 50 Jahren Feminist, der sich genau für diese Ziele auch immer eingesetzt hat. Aber es wird immer nur auf die Frauen gemünzt und denen wird ja dann auch oft so eine sehr aktive oder auch teilweise sehr bestimmende Art und Weise nachgesagt, aber das ist gar nicht so…

Also in meinem Verständnis, und ich glaube auch Gott sei Dank im Verständnis vieler, ist das überhaupt nicht so und ich kenne natürlich diese Diskussion oder auch diese Falschverstehungen. Aber das geht schon komplett  in die falsche Richtung. Also wenn man mal genau hinschaut, ist Feminismus auch für Männer. Da es eben auch Geschlechterrollen hinterfragt, unter denen auch Männer leiden. Also dieses Bild das immer gezeichnet wird, dass der Mann der Alleinverdiener ist, dass der Mann stark sein muss, nicht weinen darf und so weiter und dadurch auch viele Männer unter Druck setzt. Wie gut Feminismus letztendlich für alle Menschen ist. Wenn wir mal ein bisschen diesen Druck daraus nehmen und mal mildere Bilder zeichnen, die einfach vielseitiger sein dürfen, und das finde ich, ist auch ein Aspekt von Feminismus. Insbesondere wenn jetzt Männer sagen: Oh ja, die Frauen, die wollen jetzt alles an sich reißen. Da muss man auch immer sagen: Nein, es geht darum, dass alles ein bisschen fairer aufzuteilen und gar nicht darum, dass wir jetzt ein anderes Ungleichgewicht schaffen wollen.

Ein Thema muss ich noch ansprechen, bevor wir wirklich in das Fachliche einsteigen. Es ist momentan in aller Munde und für viele Menschen ist es auch ein großer Aufreger. Wie stehst du zum Thema Gendern?

Also ich finde Gendern wichtig, weil meiner Meinung nach schafft Sprache Sichtbarkeit und darum geht es ja letztendlich. Es gibt ja diese ganzen Beispiele und Studien, was einfach auch in den Köpfen passiert, wenn man das generische Maskulin verwendet in Plural. Das hat man schon bei Kindern festgestellt, dass sie, wenn man sagt „die Ärzte“ sich unter den Menschen auch einfach nur Männer vorstellen. Und das hat zum Beispiel auch Auswirkungen auf die Berufswahl von Kindern, dass sie gar nicht diesen Vorstellungshorizont haben, dass man das auch als Mädchen machen kann. Allein dafür ist es wichtig, dass einfach alle Geschlechter eine Sichtbarkeit haben. Und ich denke, wenn man das doch mit so einem kleinen Ding machen kann, wieso nicht ein bisschen die Sprache anpassen? Das ist doch schon mal ein Step, der niemandem wehtut, den man irgendwie machen kann. Ich verstehe diese Aufregung darum auch gar nicht.

Aber jetzt kommen wir zu deinem Buch. Du hast bisher ein Buch geschrieben. Worum geht es darin und wen möchtest du damit erreichen?

Also mein Verlag nennt es Erzählendes Sachbuch. Zum Großteil liegt dem Buch meine eigene Geschichte zugrunde. Und zwar habe ich ab 30 gemerkt, dass sich auf einmal was in mir verändert hat. Dass ich mich mit Erwartungen, die von der Gesellschaft ausgehen, konfrontiert gefühlt habe und dass ich gemerkt habe, dass mich das plötzlich unter Druck gesetzt hat. Weil mein Leben verlief ein bisschen anders als die Vorstellung, wie man leben sollte, gerade als Frau. Deswegen richtet es sich insbesondere an Frauen, weil da auch noch mal einfach Unterschiede gemacht werden, in den 30ern. Da sind wir ganz schnell auch wieder bei den Geschlechterrollen: Man sollte dann relativ schnell einen Mann an die Seite bekommen, Hochzeit, Kinder, Eigenheim – am besten irgendwie alles vor 40.  Dieses Gesamtpaket wird immer noch als eine Mustervorlage für ein gelungenes Leben einer Frau gesehen. Und wenn man jetzt mal schaut, mit welchen Medien und Filmen meine Generation aufgewachsen ist, als bestes Beispiel „Bridget Jones“. Wenn man heute darauf zurückschaut, die Frau war 32 in dem Film und wurde irgendwie als absolutes Worst case Szenario an Lebensentwurf gesehen. Auch wurde sie als mollig bezeichnet, wo man heute drauf guckt und denkt: Ist das euer Ernst? Ich hab´ den Film auch geliebt, aber heute mit ´nem bisschen wacheren Blick seh´ ich das ganz klar als problematisch. (…) Ich hab gespürt, dass das in mir war und dass das mich wirklich unter Druck gesetzt hat und da dachte ich, das kann doch nicht sein! Es muss doch Wege geben. Mir haben Vorbilder gefehlt in der Öffentlichkeit und ich hab gemerkt, so begonnen, wenn ich ne Frau irgendwie.(…) , Weil wir müssen dahin kommen zu verstehen, dass es verschiedene Lebensentwürfe gibt und dass die einfach alle auch gut sind. Deswegen heißt mein Buch „Auch gut“, weil es darum geht, von meiner Geschichte ausgehend zu erzählen, wie sich das für mich angefühlt hat und dann aufzudröseln. Woher kommen denn die Geschichten, die uns vom perfekten Leben erzählt werden, wie sieht es denn aus mit der Ehe, warum halten wir so krass daran fest? Nicht, dass ich das abschaffen möchte, aber es eben einfach mal zu hinterfragen.