Zum einunddreißigsten Mal haben wir uns mit einer regionalen AutorIn unterhalten. Diesmal eine ganz beachtenswerte Autorin aus Koblenz, Anja Allmanritter, die durch ihre Parkinsonerkrankung das Schreiben als Ventil (wieder) entdeckt hat und seitdem einige Bücher veröffentlicht hat, die ihre Leserinnen und Leser berührt. Wir haben erfahren, wie die studierte Juristin mit der Diagnose Parkinson umgeht, wie sie – gemäß ihres Lebensmottos „Irgendwas geht immer“ anderen Mut macht und wie genau es ihr gelingt trotz manch körperlicher Einschränkungen zu schreiben.
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Anja Allmanritter ist inzwischen Schriftstellerin. Aber gehen wir chronologisch vor. Wann hast du die Diagnose Parkinson bekommen und was hat das mit dir am Anfang gemacht? Bist du in dieses berüchtigte Loch gefallen?
Ich habe die Diagnose Parkinson vor knapp 9 Jahren bekommen. Da ging aber schon einige Zeit voraus, dass sich bereits angedeutet hat, dass etwas nicht stimmt. Aber Parkinson ist eben eine Erkrankung, die grade bei jungen Leuten, je nachdem wie sich die Rahmenbedingungen auch darstellen, nicht auf den ersten Blick auffällt oder diagnostiziert wird. Daher liegen die Anfänge sicher bereits schon vor 9 Jahren. Nach dem berühmten Loch bin ich oft gefragt worden. Aber so ein typisches Loch habe ich nie erlebt. Ich habe die Krankheit einfach ignoriert und habe beschlossen, so gut wie möglich damit umzugehen. Was am Anfang bei Parkinson geht, wenn die Medikamente bestimmte Symptome dämpfen oder unterdrücken. Dann kann man eine Weile so tun als sei alles relativ normal.
Vor zweieinhalb Jahren musstest du deinen Beruf aufgeben. Wie bist du dann aufs Schreiben gekommen. Hast du schon vorher mit dem Schreiben angefangen oder war das eine Sache, wie du die neue Situation verarbeiten wolltest?
Da muss man einen Schritt zurückgehen: Dieses Loch war zwar nicht da, aber es macht trotzdem etwas mit einem. Eine Krankheit kann man eine Zeit lang versuchen zu ignorieren, aber letzten Endes ist sie da und sie verändert einen. Also sie verändert den Alltag unmerklich und irgendwann überrollt einen die Macht des Faktischen und man muss sich einfach damit auseinandersetzen. Mir fiel das unglaublich schwer. Ich konnte nicht darüber sprechen. Ich habe über viele Jahre außer mit der engsten Kernfamilie und ganz wenigen, handverlesenen Freunden mit niemandem darüber gesprochen. Fast sechs Jahre lang nicht. Und erst als manche Sachen einfach nicht mehr unterdrückt und nicht verheimlicht werden konnten, war ich dazu gezwungen mich damit auseinander zu setzen. Und das fiel zeitgleich in diesen Zeitpunkt rein, wo es auch beruflich schwieriger wurde. Wo sich die Rahmenbedingungen aus verschiedenen Gründen geändert haben. Da kam ich dazu, ein Ventil zu suchen. Und da fing ich an auf das zurückzugreifen, was ich als Kind, als Jugendlicher und als junger Erwachsener für mich gemacht habe: Ich habe geschrieben. Erstmal nur für mich, weil ich das Gefühl hatte, ich muss meinen Kindern etwas zurücklassen. Jeder weiß: Parkinson ist nicht per se tödlich. Aber es macht etwas mit einem und mir gab es das Gefühl bestimmte Dinge regeln zu müssen und ihnen etwas zu hinterlassen. Darum habe ich angefangen zu schreiben. Ich habe dabei gemerkt, dass es mir guttut und dass ich Dinge auf eine Art und Weise ausdrücken kann, wie ich sie im Zwiegespräch nicht in Worte fassen könnte. Und da hat mir jemand den Tipp gegeben, es denjenigen, den ich es nicht erzählen kann, doch vorzulesen. Dadurch kam es dann, dass erst einzelne Bekannte und Freunde und später auch der fernere Bekanntenkreis in Kontakt mit meinen Texten kam.
Deine Veröffentlichungen sind ja sehr vielfältig. Du schreibst Gedichte, Geschichten und Lieder – zum Teil auch in englischer Sprache. Einige Texte sind auf deiner Website www.gezittert-gereimt.de nachzulesen. Im April 2023 ist dein erstes Buch „Lebenszeit(en) – Lyrik zwischen Angst und Zuversicht“ erschienen. Erzähl´ uns ein bisschen etwas darüber.
Das Buch hat tatsächlich einen Vorläufer, ein Buch Version 0 sozusagen, das nicht auf dem Markt erhältlich ist. Durch die Kontakte mit der Parkinson-Gruppe habe ich Kontakte bekommen zu der Firma LTS in Andernach. Das ist eine Pharma-Firma, die unter anderem auch ein transdermales Pflaster für Parkinsonpatienten macht. Durch diesen Kontakt ist durch Zufälle – wenn man an diese glauben möchte – ein Buch entstanden, das heißt „Gezittert & gereimt“, das die Firma LTS an ihre Kundenmitarbeiter im nationalen und internationalen Bereich verteilt hat. Dieses Buch ist in Deutsch und Englisch, heißt „Gezittert & gereimt, trembled & rimed“. Da sind einzelne kurze Texte von mir drin. Ein bisschen beflügelt von diesem Projekt gab sich gewissermaßen parallel ein Kontakt über Freunde zu dem Verlag in Koblenz, freigeistPR, in dem dann im Anschluss ein freiverkäufliches Buch unter dem Titel „Lebenszeit(en)“ erschienen ist. Weil die Rückmeldungen, die ich im Vorfeld zu den Texten bekam, so rührend waren, kam die Idee dieses Buch auch ähnlich aufzubauen. Mit lyrischen Texten, die sämtliche emotionale Phasen beleuchten, betrachten, nachvollziehbar machen, die man hat, wenn man eine Krise erlebt. Sei es Parkinson oder andere Lebenskrisen. Das Buch heißt ja auch nicht Parkinson es heißt „Lebenszeit(en)“, weil das Leben in seiner Lebenszeit verschiedene Phasen mit sich bringt, die mal hoch und mal tief, mal schön, mal weniger schön sein können. Die aber alle Teil unserer Lebenszeit sind. (…)
Wie schreibst du eigentlich, also technisch? Mit der Hand, mit dem Computer oder diktierst du?
Ich gebe dir eine typische Juristen-Antwort: Das kommt drauf an. Prinzipiell wäre es schön, wenn ich noch mit der Hand schreiben könnte. Das mag an manchen Tagen gelegentlich auch ein klein bisschen gehen. Für eine Postkarte reicht es. Aber tatsächlich schreiben im klassischen Sinne mit der Hand geht nicht. Deswegen schreibe ich, auch wenn ich für die Kurse schreibe, am PC. Ich bin bemüht, das mit der Maus und der Tastatur zu machen, auch um die Mobilität der Augen-Hand-Kombination zu unterstützen, aber in Phasen in denen das nicht geht, habe ich auch ein Diktier-Programm.
Mehr zur Autorin und ihren Texten auf https://www.gezittert-gereimt.de/
Mehr aus dem Gespräch zwischen Anja Allmanritter und Moderator Dieter Aurass könnt ihr euch online auf Anchor, Spotify etc oder auf unseren sozialen Kanälen anhören.