In der inzwischen vierunddreißigsten Folge unseres Podcast haben wir Ulf Störmer, auch bekannt als „Der Lesemann“ getroffen. Der 71-Jährige wurde in Westerland auf Sylt geboren, lebt aber heute in Bendorf. Wie er zum Schreiben und vor allem zum Vorlesen kam – und als wie wichtig er dies empfindet -, erzählt er uns im Gespräch, ebenso wie es zu der Auszeichnung mit dem Verdienstorden kam, mit dem er kürzlich vom Bundespräsidenten Steinmeier ausgezeichnet wurde.

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Du bist 71 Jahre alt und wurdest in Westerland auf der schönen Insel Sylt geboren. Nun lebst du aber in Bendorf. Darf ich fragen, wie lange schon?

In deinem früheren Arbeitsverhältnis warst du Projektmanager in der Industrie.

Inzwischen bist du eher unter deinem Namen „Ulf der Lesemann“ bekannt und hast auch schon einige Auszeichnungen bekommen. Und da bietet sich natürlich als Erstes die Frage an: Wie kam es dazu?

Zu deiner Frage, wie lange ich mit meiner Frau schon in Bendorf lebe, kann ich dir

verraten, dass es am 16 Juni diesen Jahres genau 30 Jahre sein werden. Ich wurde damals von meinem Arbeitgeber, der Hoechst AG wieder nach Deutschland aus Yorkshire in England – nach drei Jahren als Delegierter – zurückbeordert, allerdings nicht nach Frankfurt, dem Stammwerk, sondern einer Niederlassung in Lahnstein. Unser Sohn Kai war damals fünf

Jahre alt und ist mittlerweile glücklich mit einer Engländerin verheiratet, mit der er gemeinsam mit unserem Enkelkind in London lebt. Ich habe zwar in der Vergangenheit nie Auszeichnungen erhalten, aber einige Anerkennungen in Form von Zeitungs- und Presseartikeln (z.B. Rhein Zeitung, Blick Aktuell, Braunschweiger Zeitung, Dankesschreiben von Frau Bildungsministerin Prof. Dr. Wanke, Interview mit dem Bundespresseamt zum Tag des Ehrenamtes) erhalten.

„Vorlesen ist die Mutter des Lesens“, bemerkte Goethe schon. Erzähle uns doch bitte ein wenig über die „Stiftung Lesen“ bei der du als Lesepate aktiv bist.

Ich danke Dir zunächst für die Einladung und die Möglichkeit, meinen Herzenswunsch auch in größerer Runde auszusprechen: dass möglichst viele Kinder von früh auf vorgelesen bekommen und dadurch auch Freude am eigenständigen Lesen bekommen. Lesen beflügelt, Vorlesen bereichert! Lesen können, ist die wichtigste Kulturtechnik, noch vor Schreiben

und Rechnen, die für das (Sozial-) Leben von essentieller Bedeutung ist. Gleichzeitig ist die Fähigkeit zu Lesen ein immaterielles Kulturgut wie Musik oder Theater. Vor gut 13 Jahren las ich in der Rheinzeitung wieder mal einen Bericht über die aktuelle PISA Studie und wie schlecht es um die Bildung in unserem Land steht und dass man was tun müsste usw. Bei ca. 7,5 Millionen erwachsenen, funktionalen Analphabeten, ca. 31% der Eltern mit Kindern im Vorlesealter nehmen ihre Aufgabe zur Förderung der Lesemotivation zu wenig wahr und 16,2 % der 15-Jährigen haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Alles Angaben von der Stiftung Lesen, die sich seitdem meines Erachtens nicht verbessert, sondern durch viele Faktoren z.B. erhöhter Migrationsanteil in der Bevölkerung eher verschlechtert haben. Diese Nachrichten haben mich damals unheimlich frustriert und ich wollte etwas dazu beitragen, diese prekäre Situation ein wenig zu verbessern. Nachdem mir oft im Leben schon nachgesagt wurde, dass meine Stimme Zuhörer fesseln kann und da ich selber gerne lese, habe ich damals also spontan entschieden, mich bei der Stiftung Lesen zum Lesepaten ausbilden zu lassen. Im Anschluss durfte ich mein Debüt gleich beim Bundesweiten Vorlesetag an der Regenbogen Grundschule (1. Klasse) Koblenz-Lützel geben. Der Kommentar der Schulleitung war damals: “Er fördert dabei nicht nur das Kopfkino, sondern auch die Kommunikation. Denn es wurden Geräusche nachgemacht, Wörter erklärt und Fragen beantwortet. Für die Zukunft ist geplant, den Vorlesetag einmal monatlich zu wiederholen und als festen Bestandteil ins Schulleben zu integrieren.“ Ein schöneres Lob hätte ich mir nicht wünschen können…

Das ist wohl wahr. Nicht von ungefähr hast du dieses Jahr die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen. Was bedeutet dir das? Ist das lediglich eine Anerkennung oder sogar die Krönung deiner Arbeit oder hast du noch höhere Ziele?

Ich bin immer noch auf Wolke 7 und freue mich riesig über diese Auszeichnung vom Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier! Ein Freund schrieb mir in seinen Glückwünschen: „Ich muss sagen, dass mich diese Auszeichnung nicht überrascht hat. Wenn man sie aber dann tatsächlich bekommt, ist das ein herausragender Moment und eine tolle Würdigung für Deine Arbeit!“ Ein anderer erzählte mir, dass er, nachdem er von der Auszeichnung gehört hatte, einmal im Internet recherchiert hat, wie viele Menschen bisher denn solch einen Verdienstorden* – es gibt übrigens 8 Stufen- erhalten haben. Und es waren genau 262.532 (Stand 31.12 2022) seit 1951. Das hat mich doch stark beeindruckt und mir die Bedeutung dieser besonderen Würdigung noch einmal vor Augen geführt

Zu Deiner konkreten Frage. Diese Anerkennung habe ich nicht erwartet und habe auch nicht darauf hingearbeitet, daher ist es auch keine „Krönung“. Es war ja nie mein Ziel gewesen, als ich anfing, mich mit der Leseförderung, sprich frühkindlichen Bildung, zu beschäftigen,

solch eine Auszeichnung zu erhalten. Ich wollte ja nur einen demokratischen

Beitrag als der Lesemann leisten. Wie sagte doch ein anderer Freund in diesem Zusammenhang richtig.“ Obwohl Du sicherlich nicht auf eine Ordensverleihung aus warst, mit deinem Engagement, finde ich es toll, dass Du für deine Einsatz auch mal in der Öffentlichkeit belobig wirst“

  *Anmerkung der Redaktion: Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland umgangssprachlich auch Bundesverdienstkreuz genannt ist die einzig allgemeine Verdienstauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland.

Mehr aus dem Gespräch zwischen Dieter Aurass und Ulf Störmer könnt ihr euch online auf Anchor, Spotify etc oder auf unseren sozialen Kanälen anhören.