Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (BGBl 2022 I S. 2294) wurden einschlägige Vorschriften zur Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaft- und Schenkungsteuer an die Immobilienwertermittlungsverordnung vom Juli 2021 angepasst. Die Änderungen waren notwendig, um den Anforderungen des Bewertungsgesetzes/BewG an eine möglichst realitätsnahe Verkehrswertermittlung gerecht zu werden. Hier erhaltet ihr die wesentlichen Neuregelungen im Überblick.

Allgemein wurde die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer für Wohnimmobilien von bisher 70 Jahre auf 80 Jahre angehoben. Zudem liegt eine „Wohnung“ i. S. des Bewertungsrechts bereits ab einer Wohnfläche von 20 qm (bisher 23 qm) vor. Die wesentlichen Änderungen betreffen jedoch vor allem das Sachwertverfahren. Wird Grundbesitz durch Schenkung, Erwerb von Todes wegen oder Vermächtnis übertragen, ist für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Grundbesitzwert gesondert festzustellen. Dies geschieht – je nach Art der Immobilie – entweder im Wege des Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahrens nach dem Bewertungsgesetz (§§ 177 ff. BewG). Insbesondere beim Ertrags- und beim Sachwertverfahren kommt es nun zu erheblichen Änderungen. Dieses Verfahren wurde um einen sogenannten Regionalfaktor ergänzt. Dieser Faktor soll die regional unterschiedlichen Preisentwicklungen widerspiegeln. Er fließt zusätzlich zu den Normalherstellungskosten, dem Baupreisindex und dem Alterswertminderungsfaktor in die Berechnungen ein. Maßgeblich sind die Wertzahlen der Gutachterausschüsse. Liegen keine Wertzahlen vor, ist der gesetzliche (neutrale) Regionalfaktor von 1,0 anzuwenden.

Änderungen im Ertragswertverfahren

Bei der Ermittlung nach dem Ertragswertverfahren kommt es zur Änderung bei der Ermittlung der Bewirtschaftungskosten. Statt der bisherigen pauschalen Ermittlung auf Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete ist nun vorgesehen, dass sich die Bewirtschaftungskosten aus den tatsächlichen Verwaltungs- und Instandhaltungskosten und dem Mietausfallwagnis zusammensetzen. Daneben werden die Liegenschaftszinssätze an das Marktniveau angepasst und entsprechend herabgesetzt, was im Ergebnis zu höheren Werten führt, wenn die lokalen Gutachterausschüsse keine Zinssätze zur Verfügung stellen; in diesem Fall sind die im Vergleich recht hohen gesetzlich vorgegebenen pauschalierten Liegenschaftszinssätze (§ 188 BewG) anzuwenden. Der Gesetzgeber hat diesen Hebel erkannt und plant beispielsweise den Liegenschaftszinssatz für Mietwohngrundstücke von 5% auf 3,5% zu reduzieren. Bei gemischt genutzten Grundstücken erfolgte eine Erhöhung um je einen Prozentpunkt (von 4,5 %/5 % auf 5,5/6 %) sowie bei Geschäftsgrundstücken von 6,0 % auf 6,5 %. Durch die geringeren Liegenschaftszinssätze steigen grundsätzlich die mittels Ertragswertverfahren ermittelten Werte.

Die geplanten Änderungen werden die Bewertung des Grundbesitzes deutlich verändern. Es ist davon auszugehen, dass Grundbesitzwerte aufgrund der geänderten Bewertungsverfahren in Zukunft deutlich höher ausfallen werden als noch für Übertragungen, die bis einschließlich 31. Dezember 2022 erfolgen und für die noch die alten Bewertungsvorschriften gelten. Dies ist jedenfalls regelmäßig dann der Fall, wenn die Gutachterausschüsse nicht selbst Liegenschaftszinssätze oder die Wertzahlen zur Verfügung stellen, sondern die geänderten gesetzlichen Werte zum Tragen kommen.

Option zum Gutachten

Mit der sogenannten „Öffnungsklausel“ steht den Erben bzw. Erwerbern von Immobilienvermögen wie bisher die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren Verkehrswertes mittels eines Sachverständigengutachtens oder anderen geeigneten Beweismitteln offen (§ 198 BewG). Diese Option dürfte angesichts der neuen Reform der Grundstückswertermittlung künftig verstärkt genutzt werden.

Demnach hat die Finanzverwaltung die Möglichkeiten des Nachweises eines niedrigeren Verkehrswertes in R B 198 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 näher bestimmt. Anerkannt werden „nachweisfähige“ Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken. Grundsätzlich unterliegen Wertgutachten der Beweiswürdigung durch das Finanzamt.

Dem Erben/Erwerber obliegt dabei stets die „Nachweislast“ für einen geringeren gemeinen Wert. An diese Beweisführung knüpft die Rechtsprechung hohe Anforderungen. Am einfachsten gelingt die Beweisführung mit einem vorhandenen geeigneten Kaufpreis. Die Finanzverwaltung erkennt hierbei einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (und nicht unter nahen Verwandten) innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zu Stande gekommenen Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück als Nachweis an. Selbst wenn ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu Stande gekommen ist und sich die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag nicht geändert haben, kann auch dieser als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen. Seitens der Finanzverwaltung bestehen „keine Bedenken, diesen Wert regelmäßig ohne Wertkorrekturen als Grundbesitzwert festzustellen (R B 198 Abs. 4 ErbStR 2019).

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