In unserer Serie über Videospielentwicklung steigen wir tief in die Materie ein und möchten diese faszinierende, kulturelle Szene auch denen nahe bringen, die selbst nicht aktiv spielen. Heute geht es um ein Thema, das für Außenstehende vielleicht überraschend klingt, in der Geschichte der Videospiele aber eine sehr entscheidende Rolle gespielt hat. Sagt euch der Begriff Prosumer etwas? Oder anders gefragt: Kennt ihr vielleicht Blogs oder Instagram-Feeds, die “100 DIY-Hacks” mit Produkten eines großen schwedischen Möbelhauses präsentieren? Hättet ihr gedacht, dass man ähnlich auch mit Games umgehen kann? Eine lebendige Szene von Hobbyisten und Profis entwickelt nicht etwa selbst eigene Spiele, sondern verwendet viel Herzblut und Engagement darauf, kommerzielle Titel zu erweitern, spielbar zu halten oder zu verbessern.

Steigen wir ein mit dem Thema Maps, auf Deutsch Karten. In vielen Spielen bewegt sich der Spieler in Levels, also Spielumgebungen, die man Maps nennt. Das bezieht sich auf Strategietitel wie Age of Empires genauso wie auf den Shooter Counter Strike oder das Rennspiel Mario Kart. Teilweise bieten Entwickler neben dem eigentlichen Spiel auch Werkzeuge an, mit denen Enthusiasten eigene Levels oder Maps erstellen können. In Super Mario Maker von Nintendo wird dieses Prinzip gar zu einem Kernbestandteil des gesamten Spiels. Hättet ihr gewusst, dass der Milliardenerfolg League of Legends auf eine Fan-Map zum Spiel Warcraft eines anderen Unternehmens namens Blizzard zurückgeht?

Weiter gehen die Fan-Liebe und auch der Entwicklungsaufwand oft für Mods, also Modifikationen von Spielen, wenngleich der Übergang fließend ist. Hier belassen es die Hobbyisten meist nicht bei einzelnen Karten in einem sonst bestehenden Spiel, sondern ändern zum Teil wesentliche Spielelemente ab oder entwickeln auf der technischen Basis der Spiels komplett eigene Erlebnisse. Ein prominentes Beispiel ist der Ego-Shooter Counter Strike, der auf eine Fan-Mod des ursprünglichen Spiels Half Life zurückgeht. Andere Mods schaffen es zwar nicht zu unabhängigem, kommerziellem Erfolg, können jedoch eine treue Fangemeinde um sich scharen wie etwa die Matrix-inspirierte “The Specialists” Mod für Half Life Anfang der 2000er. Ein ganzes Mod-Universum mit sogenannten Modpacks betritt, wer sich tiefer mit dem kreativen Blockspiel Minecraft beschäftigt. Hier gibt es alles, von der hochauflösenden, fotorealistischen Grafik über Automatisierungsfunktionen bis zu vollständigen, eigenständigen Spielen innerhalb von Minecraft. In Bedwars verteidigt ihr euer Bett und müsst die Betten der gegnerischen Teams abbauen – ein absurd klingendes Konzept, das aber innerhalb der Minecraft-Logik völlig sinnvoll erscheint.

Von Mods, die neue Funktionen erschließen oder die Bedienung innerhalb des Spiels erleichtern, ist es nicht weit zu Community-Patches. Manche Spiele erscheinen so unfertig und werden etwa aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten des Entwicklers nicht mehr bis zur hinreichenden Fehlerfreiheit verbessert, dass sich Fans ihrer annehmen und in Eigenregie Verbesserungen am Spiel vornehmen. Gleiches passiert oft, wenn sich technische Gegebenheiten ändern, etwa mit der Entwicklung von 4:3 zu 16:9-Bildschirmen und der Unterstützung von entsprechenden Widescreen-Auflösungen. Diese Entwicklung von Patches geschieht in aller Regel ohne Einblick in die Interna des Entwicklers, sodass die technische Leistung hier oft umso mehr beeindrucken muss. Viele Spiele lassen sich auf modernen Systemen nur aufgrund solcher Fan-Projekte noch genießen.

Ein kurzer Schwenk auch diesmal zu Andarion Games in Mainz, die wir in dieser Serie begleiten. Dort ist man sich bewusst, dass Fan-Projekte einem Spiel Langlebigkeit und Wiederspielwert geben können. “Unser nächster TItel CtrlC wird zwar nur ein recht kleines Indie-Spiel, aber es kommt mit einem sehr mächtigen Leveleditor”, verrät der Gründer Dr. Johannes Mattmann.

“Ich hoffe, dass jeder, der Spaß am Spiel hat, auch mal ein eigenes Streckenelement erstellt – das ist nämlich kinderleicht. Und wer weiter einsteigen möchte, kann seine Programmierfähigkeiten in der Sprache Lua trainieren, um fortgeschrittenere Levels zu bauen. Das geht ganz ohne Modding-Know-How, da diese Erweiterbarkeit im Spiel eingebaut ist”. Ob CtrlC eines Tages der Ausgangspunkt für kreative Jungentwickler ist, die hier ihre ersten Gamedesign-Schritte gegangen sind? Wir werden sehen!