„Für uns war Europa Frieden und mehr Demokratie.“

Wir haben SPD-Abgeordneten MdB Martin Schulz, getroffen und uns mit ihm unter anderem über seinen Weg in die Politik, die Europawahlen am 26. Mai und weshalb Europa ihm so am Herzen liegt, unterhalten.

Erstatten Sie uns einen kleinen Zeitsprung. Irgendwann im Leben haben Sie sich entschieden die Politik zu einem Ihrer Lebensmittelpunkte zu machen. Wann kam es zu der Entscheidung und warum konnte es nur eine für die Sozialdemokratie sein?

Die Entscheidung ist relativ früh gefallen. Ich bin in einem sehr politischen Elternhaus aufgewachsen und bin eigentlich schon seit meinen Kindertagen mit kontroversen politischen Diskussionen konfrontiert worden. Meine Mutter war eine Mitbegründerin der CDU. Mein Vater war allerdings das elfte Kind eines Bergmanns aus dem Saarland. Also politisch völlig anders gepolt. Unter republikanischen Bedingungen hätten meine Eltern sich wahrscheinlich gar nicht kennengelernt. Die haben 1940 geheiratet, sind aber nach dem Krieg ihren politischen Überzeugungen treu geblieben und so bin ich aufgewachsen in einem Haushalt in dem politische Diskussion Alltag war. Das hat mich motiviert. Ich bin dann mit 17 Schülersprecher geworden und mit 19 in die SPD eingetreten.  Warum nur die Sozialdemokratie? Ich glaube, dass Solidarität, Respekt vor anderen, die gleiche Augenhöhe zwischen Menschen, am ehesten verwirklicht wird in der Politik der Sozialdemokratie.

Wie wurde Europa für Sie ein Thema?

Ich bin geboren und aufgewachsen im Dreiländereck zwischen Maastricht, Lüttich und Aachen. Ich bin sozusagen Geburtseuropäer. Wenn du bei uns spazieren gehst, weißt du ja nie genau in welchem Land du bist…  Ich glaube aber, dass für mich – unabhängig von der regionalen Verankerung – als jemand der Anfang der 70er politisiert worden ist und als Kind einer Generation deren Eltern wirklich – wie mein Vater zum Beispiel – zwei Weltkriege erlebt hat, Europa Frieden und mehr Demokratie war.

Was kann man denn Menschen, die sich jetzt innerlich abwenden von Europa über den 26. Mai und seine Bedeutung sagen?

Das europäische Parlament, das am 26. Mai gewählt wird, wird das Parlament sein, indem möglicherweise die Gegner der Demokratie, nicht nur die Gegner Europas, massive Zuwächse haben werden. Wir haben ja ein Demokratienmodell das es in der Welt nur ein einziges Mal gibt. Es gibt keine andere Region in der Welt wo sich 28 Demokratien zusammentun, die Verfassungen haben, die individuelle Menschenwürde an erste Stelle setzen. Das gibt´s  nicht in Lateinamerika, das gibt´s nicht in Afrika, das gibt´s nicht in Asien. Das gibt´s nirgendwo, nur hier. Man muss sich am 26. Mai darüber im Klaren sein, dass man mit seiner Stimmabgabe für die Demokratischen Pro-europäischen Parteien verhindern kann, dass diejenigen die genau dieses Modell zerstören wollen, die ein autoritäres Regime a la Russland oder Türkei propagieren oder die zulassen wollen, dass wir wirtschaftlich gesehen zum Spielball der Machtinteressen Chinas werden. Dass die stärker werden, können wir verhindern, wenn wir am 26. Mai welche Partei auch immer aber eine demokratische und pro-europäische Partei wählen.

Davon abgesehen: welche Themen der Tagespolitik liegen Ihnen ganz besonders am Herzen?

Die Verteidigung der Demokratie und des Respekts. Was ich im Alltag erlebe, ist dass der individuelle Respekt nachlässt. Diese Haltung, die ja in der internationalen Politik – im Weißen Haus schon – anfängt, („Wir zuerst“,,..) nimmt an Volumen zu. Dieser Gedanke, dass Einigkeit stark macht und der Gedanke, dass die Freiheit die jeder einzelne von uns hat, dort endet wo sie die Freiheit der anderen einschränkt, lässt in der Gesellschaft nach. Es gibt ein wunderbares Sprichwort dazu: „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg´ auch keinem anderen zu.“ Dieser Gedanke lässt in der Gesellschaft nach und es ist die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern – und auch die Aufgabe in der Schule, im Betrieb, der Kirche, dafür zu sorgen, dass der Gemeinsinn stärker wird.

Vielen Dank, Herr Martin Schulz, vielen Dank Johannes Fischer, der das Interview in unserem Auftrag führte.