„Die Engländer sind ein unglaublich musikliebendes Volk.“
Wir haben uns mit der Musikerin Claudia Hirschfeld unter anderem über ihre erste Begegnung mit der Musik und Faszination von Tasteninstrumenten, gesprochen. Aber auch über die niedrige Frauenquote in dem Business, England als das beste Publikum und die Folgen der Corona-Pandemie für Künstlerinnen und Künstler wie sie.
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War denn auch früh klar, aus der Faszination zur Musik soll mal ein Beruf draus werden?
Der Wunsch kam eigentlich recht früh, mit 15 Jahren. Da gab es auch einen Moment, als ich Franz Lambert zum ersten Mal gesehen habe. Da habe ich gedacht: Wow, was der macht, das will ich auch machen. Und es gab ja bis heute eigentlich nie eine andere Frau an der Orgel. Leider muss man fast sagen. Warum eigentlich? So ist es bis heute leider geblieben. Aber ich habe immer den Wunsch gehabt und habe meinen Traum verwirklicht, das Hobby zum Beruf zu machen. Das war für mich die Lebensverwirklichung.
Was du bis heute sehr erfolgreich betreibst. Aber ist es nicht auch mit großen Schwierigkeiten verbunden? Das unterscheidet ja Deutschland von den Engländern und den Amerikanern, dort sind Frauen in dem Business durchaus vorhanden. In Deutschland ist das nicht der Fall. Was sind die Schwierigkeiten als Frau in dem Geschäft?
Da sagst du was. Woran liegt es, dass es auch so wenige Komponistinnen gibt? Da habe ich mir auch schon mal den Kopf drüber zerbrochen. Man könnte jetzt ganz weit zurückgehen in die Menschheitshistorie, da könnte man erklären, dass Männer von Natur aus ein räumlicheres Denken haben als Frauen. Vielleicht auch ein rationelleres Denken. Musik ist ja teilweise Mathematik. Es sollte natürlich auch ganz viel Emotion dabei sein. Aber es hat eben auch viel mit Mathematik und räumlichem Denken zu tun. Aber wieso gibt es so wenige Frauen an der Orgel? Die hat auch in den letzten 30 Jahren sehr an Faszination verloren. Aber für mich gab es nie einen Plan B. Ich wollte einfach immer nur Musik machen und Orgel spielen.
Zu deiner Karriere gehört ja nunmal auch das Reisen. Tourneen gehören dazu. England gehört da zu den Ländern, die du am meisten bereist hast. Was macht denn für dich die englische Musikszene aus?
Die Engländer sind ein unglaublich musikliebendes Volk. Ich habe selten ein so dankbares Publikum erlebt wie in England. Es ist zwar ein sehr altes Publikum, das darf man auch nicht unterschätzen. Ich sage mal im Schnitt 70 – aufwärts. Ich habe schon 104-Jährige im Konzert gehabt. Trotzdem einfach die Liebe zur Musik, die lässt sie auch mit pharmazeutischer Unterstützung und ihrem Rollator immer noch zu den Konzerten kommen. Da würden die Deutschen vielleicht schon sagen: „Och ne, das tue ich mir nicht mehr an. Da bleibe ich lieber zuhause“ Aber man muss sagen die Orgelszene hat auch in England gelitten. Ich habe im Herbst jetzt wieder zwei schöne Konzerte im Rahmen von Festivals, aber die großen Tourneen gehören wohl der Vergangenheit an. Es gab fast in jedem kleinen Städtchen in England einen Orgelclub oder eine Keyboard Orgel Association, die sind teilweise auch eingegangen. Corona hat dem ganzen noch den Rest gegeben. Aber von Club zu Club zu tingeln, die Zeit ist vorbei. Und außerdem, durch den Brexit ist es tatsächlich auch unerschwinglich mit der eigenen Orgel rüber zu fahren, viele Kosten zu haben, ob Tunnel oder Flugzeug. Das rechnet sich einfach nicht mehr. Aber trotzdem war es eine wunderschöne Zeit, teilweise warst du ja auch dabei. Wir waren da teilweise bis zu 5 Wochen auf Tourneen und haben sehr viel Spaß gehabt. Wir haben das Land kennengelernt und die lieben Leute dort.
Wie hast du die Pandemie als Künstlerin erlebt und wie hast du sie auch in emotionaler Hinsicht gedeutet?
Ich fand sie ganz schrecklich. Das war die größte Katastrophe, nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen Musiker und Kollegen. Viele sind dadurch auch auf der Strecke geblieben. Ich weiß sogar von Selbstmorden. Weil einfach keine Perspektive mehr gesehen wurde. Andere mussten ihre Instrumente verkaufen, um über die Runden zu kommen. Das ist genauso schlimm. Das ist wie der Bauer, der seine letzte Kuh in Zahlung gibt, um sich eine Melkmaschine zu kaufen. Aber wir haben auch da nicht den Kopf in den Sand gesteckt. Sondern wir haben uns etwas überlegt. Und sind auch mit dieser Idee super über die Runden gekommen: Wir haben Videos zu Hause aufgenommen – wir haben gottseidank ein großes Haus – und dann habe ich die sogenannten virtuellen Tickets angeboten und weltweit verkauft. Das hat so einen Anklang gefunden, da bin ich heute noch überrascht und erstaunt drüber. Ob aus Amerika, China, Japan, überall wollten die Leute das haben. Ich glaube, dass auch die Bereitschaft, Musiker in dieser schlimmen Zeit zu unterstützen, sehr groß war. Und so haben sie für ihre Hilfe auch noch etwas bekommen. Für einen Preis von 25 Euro bis 30 Euro konnten sie einen ganzen Monat jeden Tag ein Video herunterladen, natürlich immer verschiedene Musikstücke mit passender Dekoration und so weiter… (…)
Vielen Dank, Claudia Hirschfeld und vielen Dank Johannes Fischer, der das Interview in unserem Auftrag führte.
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