„Das Land hält dann noch mehr zusammen in der nationalen Identität.“
Wir haben Rolf Ehlers, Leiter der Landesmusikakademie, und Björn Rodday, Leiter des Landesjugendchors, in der schönen Kulisse in Neuwied-Engers getroffen und uns mit ihnen sowohl über ihre persönlichen Zugänge zur Musik, die Angebote der Landesmusikakademie, aber auch ihr beeindruckendes soziales Engagement für die Ukraine und in dem Zusammenhang über die Stellung der Kultur in einem vom Krieg gebeutelten Land unterhalten. Das komplette Video-Interview könnt ihr euch auch online auf www.magazin-next.de/landesmusikakadamie oder auf unseren sozialen Kanälen anschauen.
Kurz gesagt: was macht die Landesmusikakademie?
Rolf Ehlers: Im Grunde ist die Landesmusikakademie zu verstehen als Bildungs- und Begegnungsstätte aller Musiker und Musiklehrer des Landes.
Was macht Ihnen an Ihrem Tätigkeitsfeld in diesem Hause die größte Freude?
Rolf Ehlers: Ich bin zum Glück in der Position, dass ich das inhaltliche Programm, also das Workshop-Programm, maßgeblich mitgestalten kann. Wir können Schwerpunkte setzen, das kann mal der Jazz sein, die A-Capella-Musik, ein spezielles Instrument, Kammer –oder Blasmusik. Das kann ganz viel sein. Da kann man also schon sehr bewusst steuern. Und was mir auch Freude macht, ist einfach der Kontakt mit den Gästen. Wir haben hier jährlich – wenn nicht gerade Einschränkungen bestehen – bis zu 14.000 Übernachtungen. Es kommen sehr viele interessante Menschen her. Diese Begegnungen machen wahnsinnig Freude.
Ist es so zu verstehen, dass die Bandbreite riesig ist, dass also vom Musikprofessor bis hin zum Laienmusiker hier jeder vertreten sein kann?
Rolf Ehlers: Genauso ist es. Und auch vom 8-Jährigen bis zum 93-Jährigen.
Das Veranstaltungsprogramm ist enorm. Welche Veranstaltungen gibt es hier zu erleben?
Rolf Ehlers: Im Grunde ist es so, dass unser inhaltliches Programm gerade danach schreit, sich in öffentlichen Veranstaltungen auch mitzuteilen. Das sind Workshop-Konzerte, Dozenten-, Kursabschlusskonzerte. Oder auch von Beleggruppen, die zu uns kommen, um zu proben, dann entsprechend Abschlusskonzerte oder öffentliche Generalproben. Das ist das Spektrum. In früheren Jahren haben wir das eher zufällig laufen lassen. Seitdem wir aber während der Corona-Zeit gemerkt haben, dass es wirklich ein großes öffentliches Interesse gibt, eine schier ausgehungerte Öffentlichkeit, die sich wahnsinnig freut, wenn ohne viel Drumherum Angebote stattfinden, haben wir auch versucht Kanäle zu kultivieren und Formate zu schaffen, die wir mitvermarkten können.
Tagesaktuelles Thema: die Ukraine. Sie sind nicht nur musikalisch engagiert, sondern auch sozial. Wie kam es dazu?
Björn RoddayIm Grunde fing dies relativ kurz nach Kriegsbeginn an. Ich saß am Rosenmontag mit einem Künstlerkollegen in meinem Büro in Mainz. Auch in diesem Jahr waren einige Karnevalisten unterwegs. Uns jedoch war in diesem Moment keineswegs nach Feiern zumute und wir konnten nicht verstehen, wie man zu dem Zeitpunkt feiern konnte, obwohl vor einigen Tagen in Europa ein Krieg begonnen hatte! Just in dem Moment kam die Nachricht, dass der „Ukrainische Verein Mainz“ und „Mombach hilft“ angefangen hatten, Hilfsgüter vor Ort zu sammeln. Daraufhin haben wir den beiden gemeinnützigen Vereinen Unterstützung angeboten. Wir haben spontan einen 7,5 Tonner gemietet und uns innerhalb von 7 Stunden auf den Weg an die polnisch-ukrainische Grenze gemacht. Um die Kosten für diesen ersten Transport wieder zurückzubekommen, starteten wir noch von der Strecke aus einen Spendenaufruf über die sozialen Medien. Dabei kam soviel Geld rein, dass bereits ein nächster Transport finanziert gewesen wäre. So setzten wir die Hilfsaktionen weiter fort. Irgendwann wurde uns über einen befreundeten Chorleiter der Hilferuf der Musikakademie von Lviv weitergeleitet. Sie benötigten professionelle DinA3-Scanner, um die wertvollen Bestände ihres historischen Archivs digitalisieren, und damit vor Bombenangriffen zu schützen. Dieser Hilferuf war die Initialzündung unseres dritten Transports. Neben dem technischen Equipment bildete den Hauptteil unserer Ladung medizinische Hilfsgüter, konkreter gesagt chirurgisches Nahtmaterial, welches wir nach vorheriger Nachfrage in das Militärkrankenhaus Lviv gebracht haben.
Rolf Ehlers: Als ich das dann hörte, fiel mir ein, dass ich als Student mehrere Male in Lviv war und genau an der Akademie auch tatsächlich selbst geprobt und Konzerte hatte. Mich hat das also so aufgerüttelt, dass ich sofort gesagt habe: das machen wir jetzt zu unserer Sache! (…) Und im Mai sind wir dann erstmalig direkt in die Ukraine gefahren. Der Transport war sehr abenteuerlich, hat uns aber so viele persönliche Kontakte gebracht: Wir konnten mit ganz tollen Menschen sprechen, Kulturschaffende vor Ort, die uns von ihren Nöten erzählt haben und die uns auch die ganz besondere Situation in der Westukraine geschildert haben. Da war für uns klar: Wir müssen wieder dort hinfahren – und vor allem die Kontakte in gemeinschaftliche Kulturproduktionen überführen in einer hoffentlich bald beginnenden Nachkriegszeit. (…)
Vielen Dank, Rolf Ehlers, vielen Dank Björn Rodday und vielen Dank Johannes Fischer, der das Interview in unserem Auftrag führte.