Immerhin einen Vorteil hat die Pandemie für wohl jeden von uns: Das Verhältnis der Deutschen zur Technik verbessert sich schlagartig. Die Digitalisierung ist mehr denn je in unserem Alltag angekommen. Dabei haben wir uns so lange dagegen gewehrt.

Schon im Sommer – nach dem ersten Lockdown – haben wir uns dabei erwischt, wie wir eine kleine Erleichterung empfunden haben, als Home-Office, Home-Schooling oder Videokonferenzen nicht mehr „notwendig“ waren und wir schnell wieder zum „normalen“ Alltag zurückkehren konnten. Ist es nicht so? Diejenigen, die den digitalen Weg weiterhin bevorzugten, zählten eher zur Minderheit. Das zeigte sich vor allem in unserem Schulsystem, das mit der Digitalisierung stark hinterher hinkt.

Wenn es auch vereinzelt erste Bundesländer gibt, die inzwischen Online-Unterrichtsangebote anbieten oder den Einsatz digitaler Lerninhalte unterstützen, mangelt es doch stark an einer bundesweiten Vorgehensweise zur Nutzung von Online-Tools sowie zur Umsetzung digitaler Unterrichtskonzepte. Offensichtlich wird dies im Vergleich etwa zu Dänemark, wo bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie die digitale Bildung breitflächig etabliert war. Eine internationale Studie zeigt, dass 91% der dänischen Schüler täglich digitale Medien im Unterricht nutzen, während dies in Deutschland lediglich 4 % taten (!). Darüber hinaus hat fast jede Schule in Dänemark eine Lernplattform, auf die Schüler und Lehrer Zugriff haben. Und auch in Frankreich sieht die Sache deutlich besser aus als bei uns: Trotz des moderaten Umgangs mit digitalen Medien an französischen Schulen hat die französische Regierung in der Krise schnell gehandelt. Das Bildungsministerium stellt nun virtuelle Klassenzimmer über die staatliche Webschule CNED zu Verfügung, die ein Unterrichtsprogramm von der Vorschule bis zum Abitur beinhaltet und die Möglichkeit eröffnet virtuelle Klassenräume einzurichten. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Denn ganz im Gegenteil: Die technischen Schwächen, die Schülern, Lehrern und Eltern schon vor einem halben den letzten Nerv raubten, sind noch immer nicht behoben.

Bildungsexperten sehen darin ein gesamtgesellschaftliches Phänomen bei dem gar keine einzelnen Schuldigen auszumachen sind. Minister, Lehrerverbände, Pädagogen, selbst viele Eltern – überall regen sich Widerstände, wenn es um digitale Technik geht. Computer oder Tablets im Klassenzimmer, WLAN im Schulhaus, Microsoft Teams für Distanzunterricht: Fast immer übertönen die Zweifler und Ablehner die, die es gerne anpacken und ausprobieren würden. Fatal! Denn wir sind mit der Digitalisierung in eine neue Epoche eingetreten, die einem ähnlichen Einschnitt wie die Industrialisierung vor 200 Jahren gleichkommt.  Dabei geht es gar nicht darum alles Digitale vergöttern zu müssen, aber in Deutschland sollten wir langsam in einen vernünftigen Diskurs über den anstehenden Wandel treten.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber ja bereits: An manchen Schulen werden inzwischen ganze Unterrichtsstunden über Videokonferenz gehalten, was im Frühjahr 2020 noch völlig undenkbar gewesen wäre. Oft kommt es dabei aber auch auf die jeweiligen Lehrkräfte an. Denn während einige noch kaum etwas damit anfangen können, gibt es jene, die die bestehenden Lernplattformen ausreizen. Sie nutzen interaktive Fragebögen, Quizze oder binden Videos ein – im Heimklassenzimmer mit seinen vielen Ablenkungspotenzialen eine gute Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Schüler auch mal für längere Zeit auf den virtuellen Unterricht zu lenken. Dass in den Bildungseinrichtungen neue Dinge ausprobiert werden, ohne dass sie explizit im Lehrplan stehen oder vorab erst von irgendjemandem abgesegnet werden müssen, ist dabei mindestens ebenso wichtig wie das Umdenken seitens der Politik. Hier muss ganz deutlich eine digitale Bildungsagenda her – wie sie etwa auch unsere niederländischen Nachbarn längst haben – in dem klar formulierte Ziele gesetzt werden wie wir digital mithalten können.  Denn eines steht fest: Es wäre längst an der Zeit!