Jedes Jahr in der zweiten Augusthälfte wird Köln zur Games-Hauptstadt der Welt. Die gamescom, die weltgrößte Gaming-Messe mit Hunderttausenden Besuchern, öffnet dann ihre Tore. Computer- und Videospielbegeisterte aller Altersgruppen strömen in diesen Tagen in die Rheinmetropole. Dort erleben sie neue Spiele, Pop- und Fankultur und vor allem: Communitygefühl. Etwa, wenn Freunde, die sich nur aus Online-Matches kennen, sich hier das erste Mal im realen Leben begegnen. Hinter den bunten und unterhaltsamen Kulissen gibt es aber auch das Business-Event gamescom, das die Inhalte und Trends der Folgejahre erst möglich macht.  Letztes Jahr haben wir das Indie-Spielestudio Andarion Games aus Mainz und seinen Gründer Dr. Johannes Mattmann genau hier kennengelernt. Da ist es an der Zeit für ein Update und einen Blick hinter die Kulissen: Was passiert im Maschinenraum hinter dem Messerummel? Was bedeutet die gamescom für das junge Unternehmen?

“Als Soloentwickler ist es sehr schwierig, einen kompletten Messeauftritt zu stemmen. Letztes Jahr hatte ich das Glück, für einen Messetag am Rheinland-Pfalz-Stand meine Spiele zeigen zu können – aber die nächste Stufe, einen eigenen kleinen Stand für die gesamte Dauer, das wäre dieses Jahr nicht möglich gewesen”, erklärt uns Herr Mattmann. “Ich muss aber hinzufügen: auch als Fachbesucher ist die Messe für Indies extrem spannend. Für viele Gespräche hinter den Kulissen hat man nur Zeit, wenn man nicht permanent am eigenen Stand ist. Ich habe ein paar Beispiele für euch, was Indie-Devs so tun auf der Messe.”

Da gibt es etwa Thomas Schreiber vom Entwickler netmin games aus Mainz. Er arbeitet mit seinem Team am Titel Torschützenkönig, der im Oktober erscheinen wird. In dem First-Person-Fußballkarrieresimulator übernimmt der Spieler die Rolle eines aufstrebenden Fußballstars und muss nicht nur dessen sportliche Karriere, sondern auch sein Leben abseits des Platzes managen. Ein solch ambitioniertes Projekt ist nicht möglich ohne Kooperationspartner und den Erfahrungsaustausch mit anderen Entwicklerstudios. Die gamescom bietet hierfür die Gelegenheit, weil sich große Teile der gesamten Branche hier treffen.

Dieser Charakter wird noch unterstrichen durch ein neues Format der Messe, für das Herr Schreiber einen der begehrten Plätze erhalten konnte. Der gamescom invest circle – ein Netzwerkevent für Gaming-Startups und Investoren – fand zum ersten Mal im Rahmen der Messe statt. Hier werden Projekte gepitcht und ökonomisches Branchenwissen geteilt. “Ich finde das einen sehr spannenden Ansatz von gamescom, der Stadt Köln und pirateX, einem Veranstalter von Startup-Events”, so Herr Schreibers Fazit. Die Kombination aus Branchen-Know-How, Startup-Kompetenz und frischen Games-Ideen konnte ihn überzeugen. Einen Gedanken aus der Veranstaltung teilt er mit uns: “Wenn wir das Land der Dichter und Denker sind – wie kann es dann sein, dass wir Games als kulturelles Medium der Gegenwart so sträflich vernachlässigt haben?”

Pitches sind generell ein wichtiges Stichwort auf der Messe, nicht nur vor Investoren, sondern auch vor Publishern, die Spiele vermarkten und teilweise vorfinanzieren. Viele Indie-Teams, die am Anfang eines Projekts oder gar am Anfang ihrer Unternehmensentwicklung stehen, nutzen die Gelegenheit, Publisher vor Ort zu treffen und haben dafür einen vollen Terminkalender. “Die Stände im Business-Bereich sind meist viel schmuckloser als die in der Entertainment-Area. Aber dafür gibt es ruhige Bereiche, in denen man sich ungestört zusammensetzen kann. Viele Deals werden hier vorbereitet oder abgeschlossen, das heißt die Games-Pipeline der nächsten Jahre wird immer auch auf der gamescom nachgefüllt”, verrät uns Herr Mattmann. Aber zwischen geplanten Meetings mit Publishern, Presse und Partnern bleibt oft die Chance auf Zufallsbekanntschaften.

“Ganz besonders spannend ist die Branchenparty am Abend des ersten Publikumstages. Da treffen sich Entwickler, Publisher, Content Creator und andere Branchenvertreter in einem zwanglosen Umfeld zusammen. Letztes Jahr war ich das erste Mal dabei und konnte absolute Branchenlegenden kennenlernen. Ich finde, man kann kaum zu hoch bewerten, was man aus den Erfahrungen von erfolgreichen Gründern und Unternehmern in der Branche lernen kann. Obwohl ich selbst Teil der Industrie bin, hatte ich da schon den einen oder anderen Fanboy-Moment – aber das ist in Ordnung.”

Wer die gamescom besucht, sollte sich auch den Gemeinschaftsstand von Rheinland-Pfalz und dem Saarland einmal anschauen und dort sympathische Indie-Entwickler aus unserer Region kennenlernen.