In unserer Artikelserie über die Computerspieleentwicklung haben wir uns bisher mit den Vorarbeiten beschäftigt. Heute wird es Zeit, den eigentlichen Entwicklungsprozess zu beleuchten. Wir begleiten wieder das Mainzer Games-Startup Andarion Games und seinen Gründer Herrn Dr. Johannes Mattmann.

“Ich bin mir sicher, dass viele Jugendliche Programmieren lernen, um eigene Spiele zu entwickeln – zumindest ich habe so angefangen” – so begrüßt uns Herr Dr. Mattmann für die aktuelle Ausgabe. “Ich werde immer wieder von Nicht-Entwicklern gefragt, wie denn tatsächlich konkret ein Spiel erstellt wird. Das ist ganz einfach: Eigentlich fängt man mit einfachen Grundlagen an, sobald man eine Idee hat – aber dann wird es beliebig komplex. Wenn wir uns ein kleines Projekt anschauen und Dinge wie Playtests für heute ausblenden, geht der Prozess für mich etwa so: Der Fokus liegt erstmal auf dem Core-Gameplay-Loop.”

Hier müssen wir kurz etwas ausholen: Jedes Spiel hat in der Regel einen zentralen Ablauf bzw. einen Kern-Mechanismus, der sich die meiste Zeit wiederholt. Bei Angry Birds ist es das Vögel-auf-Bauklötze-Schießen, bei Clash of Clans eine Kombination aus Ressourcen-Sammeln und Einheiten ausbilden/Stadt ausbauen bzw. Gegner bekämpfen. Bei Fortnite läuft man in einer 3D-Umgebung herum, sammelt Ausrüstung, baut Gebäude, bekämpft Gegner und versucht zu überleben. Das nennt man “Core-Gameplay-Loop” und in der Regel fängt man damit bei der Entwicklung an.

Nun besteht ein Spiel nicht nur aus einem Programmiercode, der ausgeführt wird, sondern umfasst auch – je nach Spiel – 2D- und/oder 3D-Grafiken, Sounds, Musik, evt. Videos, Animationen, Effekte und Story/Dialoge. Alle diese Komponenten müssen perfekt ineinander greifen und aufeinander abgestimmt sein. Daher sind an großen Produktionen heute hunderte Entwickler oft aus mehreren Studios beteiligt. Im Kleinen hilft es, auf vorgefertigte “Assets” oder Auftragsarbeiten zurückzugreifen – und natürlich das Konzept an die Möglichkeiten anzupassen. Während ein Match-3-Puzzlespiel wie Candy Crush Saga in einer Minimal-Umsetzung mit wenigen Art-Assets (und wenig Code) möglich ist, bräuchte ein Hogwarts Legacy-Klon extrem viele unterschiedliche Ressourcen verschiedener Künstler und Entwickler.

Um das Vorgehen anschaulicher zu machen, wollen wir uns ein paar Schritte exemplarisch anhand von Andarion Games’ Spielen anschauen.

Im Lernspiel Einmaleinsjagd wirft der Spieler Dartpfeile auf Luftballons, um Einmaleinsaufgaben zu lösen. Der Core-Loop besteht also darin, Luftballons abzuwerfen, deren Wert dann zur Lösung hinzugefügt wird.

Die Ballons sind 3D-Modelle mit Texturen und wurden in der 3D-Software Blender erzeugt. Texturen muss man sich wie Aufkleber vorstellen, um 3D-Modelle bunt zu bekleben oder zu beschriften. Für Einmaleinsjagd kamen hier GIMP und Inkscape zum Einsatz. Alle diese Tools sind freie Software und können kostenfrei und ohne Einschränkungen auch kommerziell verwendet werden.

Hier sehen wir einen Screenshot aus Blender, wo die Materialeigenschaften des 3D-Ballons gerade editiert werden:

Der Hintergrund im Spiel ist aus animierten 2D-Vektorgrafiken aufgebaut. Hier sehen wir einen Screenshot aus dem Tool Inkscape, in dem Grafiken erstellt und bearbeitet werden:

Wie in einem Animationsfilm werden Hintergründe und animierte 3D-Objekte in einer gemeinsamen Szene kombiniert.

In Projekten wie CtrlC, dem nächsten Spiel von Andarion Games, kommt auch ein spezialisiertes Pixelgrafikprogramm zum Einsatz. Hiermit können speziell Pixel-Art-Grafiken erstellt und animiert werden – ein sehr verbreiteter, künstlerischer Grafikstil vieler Independent-Spiele. Hier sehen wir eine framebasierte Animation eines klingelnden Telefons, die im Spiel abgespielt eine Pixelgrafik-Animation ergibt: