„Auch unsere Branche muss Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Gastgewerbe ermöglichen“
Wir haben uns mit Präsident der DEHOGA Rheinland-Pfalz, Gereon Haumann, unter anderem über die Leiden der vertretenen Branchen Hotellerie und Gastronomie und deren zu erwartende Entwicklung aus der Krise heraus, unterhalten.
Die Branche, die Sie vertreten, die Hotel – und Gastronomiebranche, ist ja durch Corona stark gebeutelt. Wie ist die Stimmung?
Ja, es ist bemerkenswert wie die Stimmung ist. Wir haben tatsächlich wie kaum eine andere Branche durch Corona gelitten. Und als wir dachten, jetzt sind wir über den Berg, kam die furchtbare Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli an der Ahr. Die hat dort 80 Prozent unserer Betriebe im Unter- und Erdgeschoss zerstört, aber 20 % eben nicht. Die Herausforderung ist, dass wir den Menschen klarmachen, möglichst oft die 20 % der Betriebe aufzusuchen. Denn sonst nehmen die, indirekten Schaden. Was im Moment schon der Fall ist. Wir haben einen Totalausfall an der Ahr, was den Gästenachfrage betrifft. Es herrscht eine Aufbruchsstimmung an der Ahr. Ich stelle mir vor, obwohl ich kein Nachkriegskind bin, dass so auch die Stimmung nach dem Zweiten Weltkrieg war. Die Leute wollen unbedingt ihre Betriebe wiederaufbauen. Das gilt für mehr als 90 % der geschädigten Betriebe. Und das ist übertragbar auf die Branche. Auch für alle, die, die außerhalb des Ahrtals durch die Coronakrise zwangsweise einmal zwei Monate und einmal 7 Monate geschlossen wurden. In diesem unsäglichen Leidenslockdown (…) Wenn man die Gesamtsituation bewertet, kann ich nur sagen: Hut ab vor dem Engagement und dem Unternehmertum unserer Branche! Wir sind keine Unterlasser, sondern hochengagierte Familienbetriebe, Unternehmer im besten Wortsinne, und insofern sind wir wild entschlossen, die Herausforderungen anzunehmen. (…)
Sie arbeiten schon sehr lange und intensiv an der Aufgabenstellung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche. Es wäre vielleicht schöner gewesen, es wäre schon früher etwas in diese Richtung passiert. Dann wäre der ein oder andere Mitarbeiter jetzt womöglich schneller wieder zurück zu gewinnen. Das ist eine große Herausforderung. Was werden denn die Gäste langfristig gegebenenfalls an ihrem Verhalten ändern aufgrund der Pandemie?
Ja, ihre Kommentierung passt dazu. Ich glaube, dass gerade jetzt der Zeitpunkt der richtige ist, dieses Feuerwerk zu entzünden. Weil die Bereitschaft der Gäste muss ja da sein, höhere Preise zu akzeptieren. Und ich glaube zu keiner Zeit nach dem zweiten Weltkrieg waren die Gäste bereit, weil sie 7 Monate verzichten mussten, für unser Angebot angemessene Preise auch zu akzeptieren. Daher glaube ich, dass die Gäste sich gar nicht groß verändern werden. Sondern sie haben gemerkt in der Pandemie, sie gehen in unsere Lokale nicht nur um satt zu werden und Durst zu löschen, sondern das hat ganz viel mit Atmosphäre, mit Erlebnisfaktor zu tun. Wir waren froh als wir nach 7 Monaten wieder rauskamen und außer gutem Essen auch tolle Atmosphäre, exzellentem Service erleben konnten. (…) Also sind wir doch alle glücklich, dass wir die analoge Theke zurückhaben.
Auch die Hotellerie ist stark beeinträchtigt – und auch da tut sich ja viel. Was erwarten Sie da?
Also in der Hotellerie haben wir insbesondere was den Großraum Koblenz betrifft, natürlich die Situation, dass der Tagungs- und Kongresstourismus komplett weggebrochen ist. Weil wir gelernt haben in der Pandemie, digitale Technik lässt im Grunde genommen Videokonferenzen von jedem Smartphone zu. Das haben die Kollegen aber längst begriffen und sich auch da im Angebot erweitert. Viele bieten heute zusätzlich Wellnessangebote an. Viele bieten Städtetourismus mit Kurzaufenthalten an. Insgesamt gehen wir davon aus, dass wir eine Renaissance des innerdeutschen Reiseverkehrs erwarten dürfen, mindestens in den Jahren 2022 bis 2025. Weil wir Deutschen auch Sicherheitsfanatiker sind. Das allerwichtigste ist schon bei der Anreise zum Urlaubsort zu wissen, dass sie auf jeden Fall individuell auch wieder zurückreisen kann. Uns deshalb gehen wir davon aus, dass die Zug- oder Autoanreise deutlich gegenüber der Pauschalreise, dem Bustourismus und auch dem Flugtourismus an Marktanteilen gewinnen wird. Wir gehen davon aus, dass die Menschen die mit 2 bis 3 Anreisestunden mit dem Auto ihr Ziel erreichen können, unsere Zielgruppe sein sollten (…)
Vielen Dank, Gereon Haumann, vielen Dank Manfred Sattler, der das Interview in unserem Auftrag führte.