Geschäftsführer des DigiMit² – Kompetenzzentrum digitale Technologien Mittelstand, Christoph Szedlak, hat uns mehr über das Kompetenzzentrum selber und den digitalen Wandel, der branchenübergreifend Einzug in unser aller Arbeitsalltag findet, berichtet. Einen Einblick erhaltet ihr hier.

Bildrechte: DigiMit²

Was können die NEXT Leser sich hinter DigiMit² vorstellen?

Hinter dem Begriff DigiMit² verbirgt sich ein Kompetenzzentrum für digitale Technologien, das kleine und mittlere Unternehmen im nördlichen Rheinland-Pfalz bei der Bewältigung des digitalen Transformationsprozesses kostenfrei unterstützt. Das Quadrat im Namen DigiMit² steht übrigens für die Region MITtelrhein-Westerwald und den MITtelstand. Dank zahlreicher Partner und deren Expertise greifen wir auf eine Vielzahl an individuellen Kompetenzen zurück, die für die regionalen Unternehmen ein unverbindliches und kostenfreies Angebot darstellen. Durch den praxisnahen Transfer aus der Wissenschaft, der

Forschung und von Anbietern digitaler Produkte und Dienste werden digitale Technologien erleb- und wortwörtlich greifbar. Insbesondere möchte das DigiMit² zu einer besseren, branchenübergreifenden und lösungsorientierten Vernetzung der regionalen Unternehmen beitragen. Durch den gezielten Wissensaufbau, den Transfer digitaler Technologien und innovativer Digitalisierungsanwendungen in die regionalen klein- und mittelständigen Betriebe soll der digitale Transformationsprozess aktiv unterstützt werden. Als zentrale Anlaufstelle in der Region bildet das Kompetenzzentrum einen Netzwerkknoten für eine branchenübergreifende Abstimmung der Angebote regionaler Initiativen.

Ihr unterstützt also Unternehmen im nördlichen Rheinland-Pfalz bei der Bewältigung des digitalen Transformationsprozesses. Wie sieht eure Hilfe konkret aus?

Das DigiMit² fördert die Integration innovativer Digitalisierungsanwendungen in den Unternehmen. Die Erarbeitung konkreter Use Cases, das Fördern von Cross-Industry-Innovation und Innovation durch Exploration (DigiTruck) sowie die Anbahnung von FuE-Einzel- bzw. Verbundprojekten unterstützen Unternehmen bei der Entwicklung von Smart Products und Operations. Durch ein breites Transfer-, Vernetzungs- und Qualifizierungsangebot sollen insbesondere Unternehmen, die bisher nicht allzu viele Digitalisierungsbemühungen unternehmen konnten, schrittweise auf diese Reifegradstufe gehoben werden. Hierzu orientiert sich unser Leistungsangebot an den Unternehmensprozessen, wodurch eine technologieübergreifende Ausgestaltung des Angebots ermöglicht wird.

Vorrangiges Ziel des Kompetenzzentrums ist ein bedarfsgerechtes Angebot von Leistungen zur Förderung der Digitalisierung in KMU. Bedarfsgerechtes Angebot meint in diesem Zusammenhang, dass die Leistungen an dem spezifischen Ausgangspunkt des digitalen Transformationsprozesses im jeweiligen Unternehmen ansetzen müssen. Mit unserem DigiCheck erfassen wir in 1-2 tägigen Workshops die individuelle Ausgangslage, sprich den aktuellen digitalen Reifegrad des Unternehmens und bilden somit die Grundlage für alle weiteren Aktivitäten. Neben einer methodischen und fachlichen Unterstützung bei der Erarbeitung konkreter Anwendungsfälle und Use-Cases im Rahmen von Inhouse-Workshops unterstützen wir insbesondere durch eine bedarfsgerechte Qualifizierungsberatung zur Adressierung dieser Entwicklungspotentiale. Bei Bedarf stellen wir für konkrete Umsetzungsprojekte einen Kontakt zu entsprechenden Fachexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft her und binden unsere Projektpartner für eine zielgerichtete Förderberatung ein. Ein besonderer Mehrwert zeigt sich darüber hinaus in einen anbieterneutralen Erfahrungs- und Wissensaustauch mit Unternehmen, die vor einer ähnlichen technologischen Herausforderung stehen oder standen.

Mit wem arbeitet ihr hierbei zusammen, wer sind eure Partner?

Das Kompetenzzentrum DigiMit² wurde von der Hochschule Koblenz gemeinsam mit den Projektpartnern der Wirtschaftsförderung am Mittelrhein, der IHK Akademie Koblenz und des Interdisziplinären Instituts für Digitalisierung gegründet. Unterstützt und gefördert wird das Projekt durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus sind wir stets darauf bedacht unser Netzwerk an Fachexperten aus Wirtschaft und Wissenschaft zu erweitern. Wir kooperieren mit zahlreichen regionalen und überregionalen Initiativen, Verbände und Institutionen. Insbesondere streben wir eine enge Kooperation mit Wirtschaftsförderern des nördlichen Rheinland-Pfalz an. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die bisherigen Angebote weiter zu strukturieren und zu bündeln, um die regionale Vernetzung zu forcieren und Unternehmen, unabhängig von ihrem derzeitigen Digitalisierungsfortschritt, in den Transformationsprozess einzubeziehen.

Das Kompetenzzentrum zeichnet sich in erster Linie durch eine generelle Branchenoffenheit aus. Lediglich Handwerksunternehmen werden für eine weitreichende Unterstützung an die Partner des Kompetenzzentrums „Handwerk 4.0“ verwiesen. Gerade in der Branchenoffenheit sehen wir einen entscheidenden Vorteil. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass insbesondere kleine- und mittelständische Unternehmen von der gemeinsamen Interaktion, der Vergleichsmöglichkeit mit Konkurrenten und anderen Branchen sowie dem Blick über bestehende Branchengrenzen hinaus profitieren. Einerseits lassen sich im Sinne der Cross-Industry-Innovation bestehende Lösungen, Wissen und Fähigkeiten anderer Industrien in das eigene Unternehmen überführen und auf den bestehenden Markt übertragen. Andererseits kann unternehmensinternes Know-how dazu genutzt werden, neue Anwendungsgebiete für Produkte und Prozesse zu identifizieren.

Das Thema Digitalisierung ist zuletzt durch den Corona-bedingten Lockdown vermehrt in den Fokus gerückt. Wie gut oder weniger gut sind die Unternehmen aufgestellt, wo muss dringend noch etwas getan werden?

Die Corona-Krise hat im vergangenen Jahr die vielfach beschriebene Digitalisierungslücke im Mittelstand deutlich offenbart. Deutlich wurde auch, dass Unternehmen die bereits vor der Pandemie vermehrt in die Digitalisierung investiert hatten wesentlich besser durch die ersten beiden Lockdown Phasen gekommen sind. Allerdings waren viele der Aktivitäten eher kurzfristig orientiert und richteten sich überwiegend auf die Digitalisierung der Arbeitsprozesse, bspw. Homeoffice. Nach wie vor zeigen sich mittelständische Unternehmen zurückhaltend in der Nutzung des Potenzials von neuen digitalen Produkten und Dienstleistungen. Die Erschließung neuer Märkte steht zu selten im Vordergrund der Digitalisierungsaktivitäten. Gerade in diesem Zusammenhang ist zu befürchten, dass die im Verlauf der Krise deutlich gestiegene Verschuldung der Unternehmen auch in Zukunft weitere Digitalisierungsaktivitäten erschweren wird. Für uns steht daher neben der Unterstützung von Vorreiterunternehmen, auch die Digitalisierung bei der Masse der Nachzüglerunternehmen im Fokus um so eine Spaltung des Mittelstands in stark digitalisierte, zumeist große und FuE-treibende Mittelständler und eine große Masse an bei der Digitalisierung abgehängte Unternehmen zu verhindern. Für einige Unternehmen stellte die Pandemie allerdings auch einen regelrechten Innovationsschub dar. Sie haben gezeigt, dass die Digitalisierung auch im Mittelstand nichts Abstraktes ist, sondern durch eine Vielzahl von konkreten Maßnahmen gepaart mit einem neuen Denken, das Papier aus den Unternehmen verschwinden kann. Dies schlägt sich auch direkt in Einsparungen für Papier- und Tonerkosten nieder.

Gibt es spezielle Branchen, die sich dabei besonders schwer tun oder war das von den Voraussetzungen her auch gar nicht so einfach umsetzbar ist?

Mit Blick auf den Digitalisierungsgrad einzelner Branchen ist natürlich ein Unterschied auszumachen. Während wie erwartet die Firmen der Informations- und Kommunikationstechnologie häufig die Nase vorne haben, befinden sich am hinteren Feld häufig die Unternehmen eher konservativer Branchen wieder. Aber auch innerhalb der einzelnen Branchen gibt es erhebliche Unterschiede. Insbesondere mittlelständische Unternehmen tun sich oft schwer bei der konkreten Ausgestaltung der Digitalisierung. Kleine Unternehmen haben oft durch ihre hohe Flexibilität die Möglichkeit sich besonders gut an neue Gegebenheiten anzupassen und notwendige Änderungen innerhalb kürzester Zeit vorzunehmen. Demgegenüber stehen großen Unternehmen oft hohe finanzielle Mittel zur Verfügung, die in effiziente Maßnahmen für eine erfolgreiche Digitalisierung investiert werden können.

Wir beobachten immer wieder, dass gerade die Führungspersonen von KMU im Tagesgeschäft gefangen sind. Sich neben den täglichen Aufgaben zusätzlich um eine Digitalisierungsstrategie zu kümmern und diese aktiv zu gestalten, stellt nicht nur eine zeitliche Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass die Entwicklung digitaler Technologien immer rasanter wird. Hier den Überblick zu bewahren, ist für einzelne Personen nahezu unmöglich. Mit dem DigiTruck stellen wir KMU ein Unterstützungsangebot bereit, das insbesondere für KMU relevante digitale Technologien so darstellt, dass die generellen Vorteile und potenziellen Einsatzgebiete durch die Unternehmen beurteilt werden können, ohne sich vorab tagelang in die unterschiedlichen Technologien einarbeiten zu müssen. Auf diese Weise sparen KMU viel Zeit bei der Vorabauswahl digitaler Technologien.

Wie sieht die digitale Zukunft (in den nächsten 10 Jahren) für uns aus? Welche Prognosetrends/digitalen Entwicklungen für die Gesamtheit könnt ihr schon heute erkennen?

Wie die Zukunft genau aussehen wird, können wir heute natürlich nicht zuverlässig vorhersagen. Zu rasant sind die technologischen Entwicklungen. Was wir aber mit Sicherheit heute schon wissen ist, dass die Digitalisierung ihren Weg in alle Branchen und Unternehmen finden wird. Es ist inzwischen unbestritten, dass sich in der Digitalisierung eine Erfolgsformel für das Wachstum und die Rentabilität von Unternehmen verbirgt. Insofern besteht ein erheblicher Handlungsbedarf, um die Konkurrenzfähigkeit im Markt zu sichern. Der Druck auf die Unternehmen kommt nicht nur vermehrt auch von außerhalb der eigenen Branchen, sondern auch von der Gesellschaft. Nicht nur die Kundenanforderungen Eine aktuelle Studie aus Großbritannien zeigt auf, dass weniger als 10 Prozent der 13-15 Jährigen jemals ein Telefonat geführt haben. Bei E-Mails sind es nicht einmal mehr fünf Prozent. Für uns aktuell noch wichtigster Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Zudem sind digitale Technologien das normalste der Welt für diese Generation, was nicht zu Letzt in einer gewissen Erwartungshaltung an den Arbeitsplatz aber auch einen sorgloseren Umgang digitaler Technologien im Unternehmensumfeld mit sich bringt. Die Unternehmen müssen sich somit auch auf eine neue Generation an Arbeitskräften einstellen. 

Digitalisierung und digitale Technologien ermöglichen nicht nur erhebliche Effizienz und Effektivitätssteigerungen in den Unternehmen und eröffnen Möglichkeiten für neue Geschäfts- und Erlösmodell sondern sind auch ein wichtiger Baustein beim Stichwort Fachkräftemangel. Der Einsatz digitaler Technologien wird Arbeiter bei Routineaufgaben unterstützen bzw. entlasten und so langfristig physischen und psychischen Fehlbelastungen vorbeugen. Zudem werden Prozesse und insbesondere Kundenanforderungen transparenter und Entscheidungen besser vorbereitet. Nicht zuletzt wird hierdurch der Freiraum für weitere Verbesserungen geschaffen.

Ihr schreibt, dass ihr digitale Technologien mit eurem DigiTruck anfassbar und erlebbar macht. Was verbirgt sich dahinter?

Mit dem DigiTruck werden die in den KMU zu beobachtenden Barrieren der räumlichen Distanz zu Transfereinrichtungen überwunden, indem die digitalen Technologien vor Ort in die Unternehmen gebracht werden. Neben der Simulation digitaler Prozesse werden in diesem mobilen Labor auch Technologien wie 3-Druck, Virtual Reality, Bots etc. in der konkreten Umsetzung präsentiert. Ziel des mobilen Demonstrationslabors ist es insbesondere Unternehmen, die bisher wenige Berührpunkte mit digitalen Technologien hatten, einen niederschwelligen Einstieg in die verschiedenen Technologien zu ermöglichen und die oft nur als Schlagworte bekannten Begriffe, wie RPA oder AR, greifbar zu machen. Fortgeschrittene Unternehmen können anhand der mitgeführten Demonstratoren den praktischen Einsatz erleben, um so deren Potential und Einsatzmöglichkeiten im eigenen Unternehmen besser bewerten zu können. Hierzu werden die mitgeführten Technologien in Form industrienaher Usecases und Anwendungsfälle aufbereitet. Die Integration in kurze Planspiele zeigt die wesentlichen Vorteile digitaler Technologien anhand realitätsnaher Prozesssimulationen auf. Durch Varianten mit und ohne Einsatz digitaler Technologien werden die Vorteile greifbar und erlebbar. Ziel der Anwendungsfälle ist es, KMU innovative Problemlösungen anderer Industrien und Unternehmen aufzuzeigen um den (branchenübergreifenden) Transfer von Know-how zu forcieren. Gerade durch den Cross-Innovations Ansatz lassen sich Entwicklungsrisiken minimieren und Innovationszyklen verkürzen. Für digitale Pioniere steht hingegen das Zusammenspiel einzelner Komponenten und die technologische Umsetzung im Vordergrund. Insbesondere Vernetzungstechnologien aus dem Kontext des (Industrial) Internet of Things (IIoT) wie LORA, NB-IoT oder LTE-M und 5G können in diesem Zusammenhang getestet und hinterfragt werden. Es ist zudem angedacht auch Technologiedemonstratoren regionaler Firmen auf dem DigiTruck mitzuführen um zu einer regionalen Vernetzung verschiedener Akteure beizutragen. Hierdurch soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass Innovation nicht ausschließlich innerhalb der Unternehmensgrenzen erfolgen muss, sondern sich auf mehrere Akteure, die miteinander in Interaktion stehen, verteilen kann. Auf der anderen Seite sollen Unternehmen mit ähnlichen Problemen und Interessen an digitalen Technologien im Nachgang zusammengeführt werden um gemeinsam mit Fachexperten konkrete Usecases für eine Branche/das eigene Unternehmen zu erarbeiten.   

Das digitale Lösungen nicht immer mit hohen Investitionen verbunden sein müssen, zeigt die Umsetzung eines digitalen Shopfloormangements mittels Standardsoftware. In wenigen Tagen lässt sich mit den oft vorhanden Microsoft-Produkten das Shopfloormanagement digitalisieren ohne zehntausende Euro für Softwarelösungen auszugeben oder Abstriche an Funktionalität machen zu müssen.

Wie ist die Idee zu DigitMIT entstanden und wie stellt sich das Team zusammen?

Das DigiMit² baut auf den Erfahrungen der Kontaktstelle Digitalisierung auf. Hierbei handelt es sich um eine von der WFG am Mittelrhein unterstützte Einrichtung, die seit 2018 Unternehmen für Digitalisierungsprozesse sensibilisiert. Die in diesem Zuge identifizierten Herausforderungen und Unterstützungsbedarfe an die regionalen Unternehmen werden durch das DigiMit² Kompetenzzentrum adressiert. Insbesondere die Corona-Pandemie machte zudem die Notwendigkeit einer digitalen Transformation von Unternehmen und Gesellschaft sichtbar und verdeutlichte den akuten Handlungs- und Unterstützungsbedarf.

Die Koordination der Aktivitäten des DigiMit² übernimmt ein 7-köpfiges Kernteam, das die Entwicklung und Ausgestaltung des Leistungsangebots vornimmt und zielgerichtet die zahlreichen Experten der Projekt- und Netzwerkpartner hinzuzieht um Unternehmen eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen der Digitalisierung bieten zu können.

Vielen Dank, Christoph Szedlak, Geschäftsführer des DigiMit² – Kompetenzzentrum digitale Technologien Mittelstand

Mit freundlicher Unterstützung des TZK





Bildrechte Beitragsbild           Thomas Frey, DigiMIT²